Fantasy Filmfest Special: Resolution

Fantasy Filmfest Special 1

Zwei junge Regisseure siedeln ihr Langfilmdebut irgendwo zwischen Mystery und Drogendrama an und lassen ihren mit einfachsten Mitteln realisierten Film ausgerechnet zu großen Teilen in einem Holzverschlag spielen. Kann das funktionieren, in einem Jahr, in dem The Cabin in the Woods zur Dekonstruktion des altgedienten Hütten-Horrors bläst?

The Birds!

Story

Nachdem der mit beiden Beinen im Leben stehende Michael ein alarmierendes Video von seinem Highschool-Kumpfel Chris zugespielt bekommt, ist die Sache für ihn klar: Er wird den momentan im Wald wohnenden Junkie zu einem Entzug bewegen. Koste es, was es wolle. Und da es  eine gehörige Menge kosten will,  wird der wenig einsichtige Chris mit Ketten in seinem verwahrlosten Häuschen fixiert und der Körper zwangsgereinigt. Eine Woche lang will Michael seinen gefesselten Freund umsorgen, damit er sich nach Ablauf dieser Frist noch einmal und bei klarem Verstand entscheiden kann, ob er nicht doch eine Reha-Klinik aufsuchen möchte.
Doch schon in der ersten Nacht kündigen sich Seltsamkeiten an. Während Chris unter den Entzugserscheinungen leidet, findet Michael allerlei Gegenstände, die allesamt auf merkwürdige Weise ihren Weg zu ihm finden. Fotos und Bücher, die längst vergangene Geschichten mit grausamem Ende zeigen. Es ist, als wollten die Gegenstände von ihm gefunden werden.

Kritik

Ja, das kann funktionieren, wenn man auf die richtigen Mittel zurückgreift. Der Film hält sich nicht mit langen Introduktionen auf, sondern führt die Charaktere gemeinsam mit der schon laufenden Handlung ein. Kurz nach dem Abspann stehen wir bereits mit Michael mitten im waldigen Nirgendwo und sehen zu, wie er und sein paranoider Freund ein überraschend launiges Gespann abgeben. Der Witz ist prompt, direkt  und niemals flach und so macht der Film in seinen ersten Minuten vor allem Spaß.
Schnell wird aber klar, dass dort im abgelegenen Gestrüpp etwas ganz und gar nicht mit rechten Dingen zugeht. Von den Gegenständen, die wie von Geisterhand vor dem Protagonisten auftauchen, genauso abgesehen wie von den zahlreichen ungemütlichen Nachbarn wie beispielsweise die UFO-Sekte, die in ihrem Aufzug vage an A Clockwork Orange gemahnt, ist es vor allem die Kamera, die effektiv Beklemmung generiert. Um genau zu sein, handelt es sich um die beunruhigendste Handkamera seit einer gewissen Szene in Lost Highway. Das Bild, auf dem wir die Handlung sich abspielen sehen, wirkt nicht selten wie das Sichtfeld eines unsichtbaren Beobachters. Die Kamera versteckt sich hinter Zweigen, irritiert mit abrupt einsetzenden Bildfehlern und lässt auch gerne einfach mal den Blick in die Ferne schweifen, während die Geschichte fortwährend auf die Katastrophe zuhält.
Die Schnitzeljagt, zu der sich Michael durch die ihm in die Hände fallenden Artefakte hinreißen lässt, ist für sich genommen nur leidlich spannend. Es gibt zu wenig Antworten und trotz der famos eingefangenen Atmosphäre sind die einzelnen Mystery-Bausteine niemals neuartig.
Aufgrund der sehr stimmigen Präsentation, dem angenehm zurückhaltenden Tempo, besagtem Kamerauge und der Tatsache, dass die Geschichte um die beiden Freunde, die sich nach langer Zeit unter solchen Umständen wieder begegnen, für sich alleine sehr gut funktioniert, fühlt man sich aber auch nie um seine Zeit betrogen.
Schlucken muss man allerdings das alles andere als vernünftige Verhalten des Protagonisten. Dass er sich zu ausgedehnten Tagestouren hinreißen lässt, obwohl die Gefahr, dass sein wehrlos an die Wand gefesselter Freund von Eindringlingen misshandelt wird, alles andere als verschwindend gering ist, ist für das Vorankommen der Geschichte notwendig, steht dem sehr bodenständigen Charakter aber schlecht zu Gesicht. Außerdem befindet sich die Hälfte des Figurenpersonals – zumindest auf den ersten Blick – nur deswegen im Film, um schräg und unheilschwanger auszusehen bzw. einem der Regisseure einen Cameo zu gewährleisten. Trotzdem lässt sich nicht verleugnen, dass die Stimmung auch davon profitiert und zudem bekommen die ganzen schrägen Gestalten ihre Daseinsberechtigung, wenn man den Film nach dem Abspann noch etwas weiterspinnt.
Unterm Strich wäre es trotzdem eine Wohltat für den Resolution gewesen, wenn die für sich toll funktionierenden Elemente durch etwas mehr als nur dichte Stimmung verknüpft worden wären.

Fazit

Ein ambitionierter und überdurchschnittlich effektiver Mystery-Streifen, der sich im guten Sinne Zeit lässt und besonders durch seine fast greifbare Atmosphäre überzeugt, während der unaufdringliche Humor dafür sorgt, dass der Film niemals erdrückend wirkt.
Das Ende mag so manchen mit schlechtgelaunten Fragezeichen überm Kopf zurücklassen, erweist sich in Anbetracht der möglichen Alternativen aber keineswegs als unkluge Wahl.

Vampire Nation

Inmitten von im Sonnenlicht glitzernden Grazien und melancholischen Aristokraten tauchten in den letzten Jahren entgegen aller Wahrscheinlichkeit immer mal wieder Vertreter der Blutsaugerzunft auf, die weniger durch romantische Veranlagungen auffielen als der moderne Spitzzahn dies zu tun pflegt. Stephenie Meyer zum Trotz gelangten achtbare Werke wie 30 Days of Night und Tomas Alfredsons So Finster die Nacht in den letzten Jahren auf die Leinwand, ernteten Erfolge und erinnerten daran, wie die eigentliche Etikette eines Vampirs auszusehen hat.

Mit Vampire Nation (im Original den ungleich besseren Titel Stake Land führend) liegt ein Genrefilm vor, dem diese Aufmerksamkeit bisher weitestgehend verwehrt geblieben ist.

Story

Ein jugendlicher Neuwaise und ein bärbeißiger Revolverheld namens Mister streifen durchs verheerte Amerika der Zukunft. Ihr Ziel ist ein sicheres Gebiet, irgendwo im fernen Osten, das nur gerüchteweise existiert. Der Weg zwischen ihnen und dem erhofften Paradies ist besetzt von furchtbar hässlichen Vampiren, einer christlich-fanatischen Sekte im Amok-Modus, ein wenig Restzivilisation, sehr viel rauer Natur und weiteren Gerüchten, deren Inhalt zeitweise auch das tapfere Duo selbst ist. Zum Glück bleibt es nicht bei diesem Zweiergespann, denn auf der langen Reise stoßen weitere wackere Überlebende und Hilfesuchende zu dem Grüppchen.
Und dieses mal größere, mal kleinere Grüppchen bewegt sich zusammen mit dem Zuschauer durch ein einzigartiges Roadmovie. In den Überbleibseln der Städte haben sich die Menschen zusammengerafft, Konflikte niedergelegt und fristen ein Dasein wie im Wilden Westen, mit all den Unannehmlichkeiten dieser romantisierten Epoche, aber auch mit den kleinen Alltagsereignissen, die jäh große Ausgelassenheit auslösen können. Zum Beispiel die Begegnung mit freundlichen Reisenden nach Zeiten langer Einsamkeit und Isolation.

Kritik

Die Welt von Vampire Nation ist glaubwürdig, doch im Gegensatz zum ebenfalls liebevoll erdachten Szenario in Daybreakers, sind all die netten Details lebendig und involviert.
Auch, wenn die einzelnen Charaktere sich auf dem Papier wie wandelnde Klischees lesen, die brav ihre markante Hauptfunktion erfüllen und sich sonst im Hintergrund halten, blüht der zusammengewürfelte Haufen auf der Leinwand mit unerwarteter Stärke auf. Protagonist ist die Gruppe, jeder ist wichtig, geschickt eingebunden und niemand wirkt überflüssig. Dass Mister und sein Schützling mehr Leinwandzeit haben als der Rest, liegt in der Natur der Sache – entbehrlich werden die Übrigen dadurch keineswegs. So wachsen Sympathien und so stockt der Atem, wenn jemand die Gemeinschaft verlässt – dies geschieht nämlich auf stets nüchterne, unaufgeregte und doch schmerzlich überraschende Weise.
Die Vampire sind nicht edel, nicht Äonen alt und auch nicht clever. Es sind wilde und fremde Tiere, die kaum koordiniert in der Gruppe agieren, dafür aber auch einzeln eine durchaus ernstzunehmende Gefahr darstellen. Viel Schimpf musste Vampire Nation erdulden, weil die Vampire sich nicht standesgemäß verhalten und im Grunde kaum bessere Zombies mit scharfen Eckzähnen sind. Davon abgesehen, dass der bereits erwähnte 30 Days of Night ähnlich animalische Vampire ins Feld führt, kommt es doch einfach nicht darauf an, ob deren Verhalten sich irgendeinem allgemeingültigen Regelwerk beugt oder nicht. Die Kreaturen müssen ihren Zweck als ernstzunehmende Bedrohung erfüllen, die den Helden überlegen, mindestens aber gewachsen sind. Und dies ist der Fall in Jim Mickles Mär vom postapokalyptischen Vampirismus.
Eine noch viel größere Gefahr stellen die erwähnten Fanatiker dar, die den Untergang der Menschheit als großes Fest begreifen, das mit Inbrunst gefeiert werden muss. Nicht nur Mister und sein Gefolge fürchten sich vor der klerikalfaschistischen Sekte, auch der Zuschauer empfindet die religiösen Eiferer als die größte aller Bedrohungen. Die irregeleitete Intelligenz wirkt weitaus bösartiger als die nur unwesentlich harmloseren, aber eben rein instinktgelenkten Attacken der Vampire.

In Anbetracht dieser nihilistischen Ausgangssituation mag es überraschen, dass die Grundstimmung des Filmes weit entfernt davon ist, düster zu sein. Ständig bricht die Sonne durch das Blätterdach, streichelt Bergrücken oder wärmt die Häuser. Der Fokus liegt nicht auf intensiven Situationen – die es zweifelsohne gibt – sondern auf der Reise, die immer wieder von der Erzählstimme des Jungen unterlegt ist. Und wie es vielen guten Roadmovies eigen ist, ist Vampire Nation auch nicht trist, karg und schlimm. Vielmehr ist er wunderschön, hoffnungsfroh und rührt das Fernweh. Und dies wiederum ist natürlich den Werkzeugen des Films anzurechnen.
Soll heißen: Man nehme die Landschaftsaufnahmen aus Into the Wild und die Musik aus 28 Days Later sowie, ja!, Firefly und plötzlich ergibt sich ein Feel Good-Horrorfilm, der so unverblümt locker und frisch daherkommt, als sei er der erste Vampirfilm der Filmgeschichte. In seinen stärksten Momenten kann es gut vorkommen, dass man sich trotz der objektiven Hoffnungslosigkeit von einer eigentümlichen Euphorie mitgerissen fühlt, wenn man erlebt, wie die Figuren einander besser kennenlernen, das Beste aus ihrer Situation machen und neuen Mut daraus schöpfen, einfach ihrem Weg zu folgen.
Angenehm ist auch, dass vieles unverkennbare Handarbeit ist. Die Masken der Vampire, die Zeichen der Zerstörung und die Kämpfe sind von CGI beinahe gänzlich unberührt und sehen nicht trotzdem, sondern deswegen wunderbar aus. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass letztere hin und wieder recht martialisch ausfallen. Vampire Nation ist beileibe kein Splatterfilm, nimmt sich in den Auseinandersetzungen aber auch nicht zwanghaft zurück.

Ankreiden könnte man theoretisch natürlich so einiges. Zum Beispiel, dass das musikalische Thema absolut überstrapaziert wird, klingt es doch gefühlt in jeder zweiten Szene von Neuem an. Dem entgegenzusetzen wäre das Totschlagargument, dass das überhaupt nichts macht – die Musik verträgt sich derart gut mit Bild und Handlung, dass man sie sich insgeheim auch in den anderen Szenen herbeiwünscht.
Das typische Charakterproblem, dass einige Figuren viel zu sehr auf wenige Grundeigenschaften reduziert sind und sich jenseits von diesen als nicht überlebensfähig erweisen, wurde bereits angesprochen, kommt hier aber schlichtweg nicht zum Tragen. Sie passen einfach in die portraitierte Welt, eine Welt, die sich weitergedreht hat. Man nimmt den Figuren ihre Beweggründe ab, weil sie aufrichtig von ihnen vorgetragen und mit Nachdruck von der Welt bestätigt werden.
Gefallen lassen muss sich der Film den Vorwurf, dass er wenigstens strukturell nur neu zusammengewürfeltes Diebesgut ist. Westernstädte in der Endzeit, bösartige Sekten, Vampire und nicht zuletzt die Konstellation vermeintlicher Stereotypen: Der stoische Krieger, das reifende Kind, die tapfere Nonne… etwas feinfühliger hätte man bei der Auswahl der Charaktere schon vorgehen können. Doch das sind Oberflächlichkeiten, die nie verhindern können, dass einem die Reisenden ans Herz wachsen, man über die Welt staunt und sich ständig fragt, was wohl hinter dem nächsten Autowrack verborgen sein könnte. So altbekannt die Zutaten auch sein mögen – ihre Kombination erfolgt hier in reiner Vorbildhaftigkeit.
Überflüssig ist nur eine einzige Sache, welche – wie so oft – am Ende zu finden ist. Die abschließende Konfrontation ist fürchterlich typisch, entsprechend unbeholfen und somit der einzige Moment, in dem der Film tatsächlich Richtung Genredurchschnitt fällt. Es handelt sich zwar nur um wenige Minuten, doch sticht diese finale Inkonsequenz so sehr aus dem ansonsten quasi makellosen Film hervor, dass es schon ein wenig schmerzt.

Fazit:

Vampire Nation aka Stake Land nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise, die trotz des Elends der Welt, trotz immerwährender Lebensgefahr in erster Linie wunderschön ist.
Hervorragende handwerkliche Arbeit, eine mutige Regie, gute Schauspieler und nicht zuletzt die ungewöhnliche Herangehensweise machen den Film zu einer wirklichen Perle, die bisher jedoch kaum jemandem ein Begriff ist. Ob die Rezeption in Deutschland anders ausgefallen wäre, wenn man den Film mit weniger unrühmlichem deutschen Titel und nicht ganz so trashigem Cover auf den Markt gebracht hätte, muss jeder für sich entscheiden.

Eine gewagte (und natürlich schwer subjektive) These zum Schluss: Vampire Nation der beste Vampirfilm seit Interview mit einem Vampir.