Frequencies

Wem Popcorn und Inbetweeners nichts sagt, gehört zum absolut größten Teil der Menschheit. Drum lässt sich sagen, dass Frequencies der erste richtig große Wurf von Regisseur und Autor Darren Paul Fisher ist. Und dieser erfolgt in eine durchaus abenteuerliche Richtung.

Tell me the process.

Story

Alle Menschen haben eine eigene Frequenz, die angibt, wie gut oder schlecht man im Leben zurechtkommt. Ist eine Frequenz besonders hoch, ist es auch die natürliche Lebenskompetenz des Menschen. Mit ihr aber sinkt auch die Fähigkeit zu Emotionen.
Marie hat die höchste bekannte Frequenz, Zak die niedrigste. Demzufolge ist sie emotionslos wie ein Stein, er hingegen voller Affekte. Wenn sich beide in kurzer Distanz zueinander befinden, rebelliert die Physik. Kleinere Beben lassen die Erde vor Spannung erzittern, Naturgewalten stauen sich auf – das Universum ist bemüht, dieses Aufeinandertreffen gegensätzlicher Pole irgendwie zu verhindern.
Trotzdem verliebt sich Zak und Marie – oder vielleicht auch gerade deswegen. Und da er zwar nicht so gut in der Welt zurechtkommt, nichtsdestotrotz aber ein ausgesprochen helles Köpfchen ist, versucht er, den Naturgesetzen ein Schnippchen zu schlagen.
Doch ganz so einfach ist das nicht – etwas, das allem voran auf die Geschichte und die handelnden Personen zutrifft, wie sich nach und nach hervortut

Kritik

Der Zuschauer ist hineingeworfen in eine Parallelwelt, in der eigentümliche Gesetzmäßigkeiten das Sein bestimmen, ohne dass diese in Form einer irgendwie gearteten Einleitung vorgestellt werden. Erst nach und nach gräbt man sich durch diesen Steinbruch, erkennt langsam, was normal und was auch für diese Welt nicht die Regel ist. Dabei stößt man manchmal auf Wundersames, beizeiten sogar auf Wunderbares und häufig auf Wunderliches.
Die Welt hat einen sonderbaren Zauber, wirkt wie ein modernes Märchen, ist dabei aber nie anbiedernd, sondern mit schöner Selbstverständlichkeit absonderlich, durchgängig verschroben, ohne es aber so weit zu treiben, dass etwas albern oder unerträglich aufgesetzt wirkt. Und sie ist auf eine mulmige Weise unheimlich, weil man oft nicht weiß, ob das, was passiert, im Rahmen dieser ungewöhnlichen Welt normal ist oder nicht.
Was Frequiencies auf den ersten Blick interessant macht, ist seine multiperspektivische Erzählstruktur. Wie sich Zak und Marie über die Jahre ihres ersten Lebensdrittels hindurch ein paar wenige Male für die Dauer von einer kritischen Minute begegnen, wird nach und nach aus den Blickwinkeln einer anderen Figur gezeigt. Wie bei Zeitreisegeschichten á la Predestination lebt der Film davon, dass der Betrachtungswinkel des Zuschauers immer ein Stückchen erweitert wird, Situationen plötzlich doppelte Böden offenbaren und man den Konturen eines größeren Planes nach und nach dabei zuschaut, zum Vorschein zu treten.
Gerade hier schummelt Frequencies aber ein wenig, denn die entscheidenden Szenen sind immer wieder leicht verändert, um das Schauen interessant bleiben zu lassen und dem Zuschauer vorzugaukeln, er würde Neues im Alten sehen, obwohl er tatsächlich doch nur Neues sieht, das tut, als wäre es zuvor bereits dagewesen. Wer will, kann sich dies aber schönreden, indem er es auf die Fokalisierung des Films schiebt, die eben nicht aus dem direkten Umfeld, sondern der Wahrnehmung des Charakters besteht. Auch lässt sich das Ende mit ein wenig erzwungener Mühe dafür instrumentalisieren lassen, diesen Umstand zu rechtfertigen. Aber man würde es dem Film zu leicht machen, auf Zwang eine Erklärung dafür zu suchen, dass er den Zuschauer bewusst hinters Licht führt – dabei hätte er es gar nicht nötig, ein solch falsches Spiel zu spielen.
Dennoch: Diese Doppelbödigkeit ist es, die Frequencies von ähnlichen Parabel-Filmen abhebt. Es geht nicht allein um die platte Botschaft, dass bestimmte Dinge falsch laufen und andere falsch betrachtet werden, um damit einen allen vertrauten Wert zu vermitteln. Im Zentrum stehen tatsächlich die Figuren, die mehr sind als nur schlaffe Transportmittel für eine konsensuale Message. Denn sie treiben ihr ganz eigenes Spiel treiben, und sind immer wieder für ein kleines Staunen gut. Dass der Film es schafft, den Zuschauer diesen grundsätzlich sympathischen Figuren nach einer Weile mit einem gewissen Misstrauen gegenüberzutreten zu lassen, ist eine Leistung, die es zu würdigen gilt; zudem dies zwangsläufig auch bedeutet, dass diesem oberflächlich leichtfüßig inszeniertem Film nach einer Weile nicht mehr abgenommen wird, dass alles so ist, wie es scheint. Auch, aber nicht nur aufgrund der oben erwähnten Tatsache, dass hier betrogen wird.
Gewöhnungssache ist, dass all das wie ein mühselig zusammengefilmtes Theaterstück wirkt. Die ganze Leier von der Parallelwelt ist nur unschwer als Parabel zu erkennen und dementsprechend grobschlächtig führen hier die Leute auch ihre Gespräche, die manchmal zu unnatürlich, manchmal zu stereotyp daherkommen und beizeiten beides vereinen. Da ist es fast schon zuträglich, dass die Kamera den Theatereindruck unterstreicht, indem es die Schauspieler so ins Bild setzt, dass es tatsächlich so wirkt, als stünden sie auf einer Bühne. So fügen sich die teils arg artifiziellen Dialoge besser ins Gesamtbild und richten am Ende weniger Schaden an, als es eigentlich der Fall wäre.
Was ganz abseits davon nahegeht, sind die angedeuteten familiären Verhältnisse, in denen Marie aufwuchs und die sie zurückließ. Was das Leben eines Kindes bewirkt, wenn dieses ähnlich emotional ist wie eine Maschine und somit auch das nahe Umfeld bis hin zu den Eltern mit purem Kalkül abschätzt, zeigt der Film nicht direkt, lässt es jedoch erahnen. In den traurigen Blicken von Mutter und Vater, ihrer hektischen Mimik, der Hilflosigkeit, mit der sie immer schon ihrer Tochter gegenüberstanden. Was bleibt, ist nur die Flucht vor der eigenen Ohnmacht hinein in leere Gesten wie eingespielter Höflichkeiten, Routinephrasen, Smalltalk eben, der noch viel smaller ist als gemeinhin schon, weil er tatsächlich nur um seiner selbst willen geführt wird.

Im letzten Drittel entwickelt sich die Geschichte in interessanter Weise weiter. Nicht, weil es einen unvorhersehbaren Kniff gibt, sondern weil das Universum logisch erweitert wird. Das wäre noch erfolgreicher, als es im Endeffekt ist, ginge es nicht mit einer selten lächerlichen Szene einher, in der ein Haufen unglaubwürdiger Wissenschaftler vor einem Clipboard steht, während der Film durch Schnitte weiszumachen versucht, sie seien allesamt sagenhaft klug.
Und so interessant es auch ist, zu beobachten, wo diese fraglos eigenständige Geschichte sich hin entwickelt, gilt es doch festzuhalten, dass Frequencies auch an dieser Stelle wieder flunkert. Denn während der Film durch probate Mittel versucht, all das Geschehende so aussehen zu lassen, als würde es unweigerlich und mit letzten Endes verblüffend logischer Konsequenz erfolgen müssen, so knüpfen die Plot Points eigentlich ganz und gar nicht so unweigerlich aneinander, wie es dem Zuschauer glauben gemacht werden soll.
Schlimm ist das nicht sonderlich, etwas unerfreulich ist die Erkenntnis aber, dass von allen Manipulatoren in seiner Handlung, der Film als solcher der größte von ihnen ist. Aber vielleicht ging es Darren Paul Fisher letztlich ja auch exakt darum. Auch hier könnte das Ende wieder für eine Rechtfertigung bemüht werden. Muss es aber nicht.

Fazit

Darren Paul Fishers SciFi-Romanzen-Verschwörungsthriller in einer obskuren Parallelwelt hat genug Alleinstellungsmerkmale, um allein deshalb gesehen werden zu können. Aber auch die Geschichte mit ihrem philosophischen Anstrich und die Freude daran, etwas Fantastisches zu erzählen, machen Frequenices zu einem absolut sehenswerten Film.
Deswegen tut es fast ein bisschen weh, dass er doch nicht noch besser ist – Potenzial hat die Idee allemal. Das zeigt sich auch daran, dass Frequenices zu der seltenen Sorte Film gehört, die lange Zeit nach ihrem Gesehenwerden in den Gedanken präsent bleibt.

It’s all about Love

Thomas Vinterberg ist neben Lars von Trier der wohl bekannteste Mitbegründer der Dogma-95-Bewegung. Sein erstes richtiges Projekt nach seinem Erfolg von Das Fest war dann gleich ein internationales, das wie so häufig nie so richtig bekannt wurde. Mit It’s all about Love hat es der Däne seinem Publikum aber auch nicht leicht gemacht.

I don’t want to fly. We are not Angels. We are human beings.

Story

John will im Jahre 2021 eigentlich nur kurz in New York zwischenlanden, damit seine Ex-Frau, die weltberühmte Eiskunstläuferin Elena, die Scheidungspapiere unterschreiben kann. Am Flughafen trifft er nicht sie, sondern zwei Anzugträger, die John in ihrem Auftrag dazu anhalten, sie zu begleiten, denn Elena sei verhindert, da sie am gleichen Abend eine Premiere habe.
Der Kurze Zwischenstopp weitet sich auf mehrere Tage aus, als John feststellt, dass irgendetwas Eigenartiges im Gange zu sein scheint. Die Idylle, die die Familie seiner Ex-Frau ausstrahlt, zeigt deutliche Risse, ja, die gesamte Umgebung strahlt Unheimliches aus und die psychisch labile Elena immer wieder ängstlich deutet an, sich in großer Gefahr zu befinden.
Dies alles geschieht in Zeiten sonderbaren Wandels. In Uganda fangen die Menschen plötzlich an zu fliegen, an einem Tag im Jahr gefriert sämtliches Süßwasser und überall auf der Welt sterben die Leute an gebrochenem Herzen.

Kritik

Von einem Film, in dem unter anderem Joaquín Phoenix, Claire Danes, Sean Penn und Marc Strong mitspielen, darf man wohl zu Recht eine erstklassige Darbietung der Mimen erwarten. Ein Film, der It’s all about Love heißt, schürt aber auch Erwartungen in eine andere Richtung. Sie alle werden erfüllt. Geboten wird nicht nur tolles Spiel, sondern auch ein sehr experimentelles Grundkonzept mit ungewöhnlichem Drehbuch, expressivem Bühnenbild und inszenatorischer Raffinesse. Doch verliert der Film bei seiner Liebe zum Außerordentlichen nicht nur seine Geschichte aus den Augen, sondern zunehmend auch die Bodenhaftung.
Der Anfang ist eine Freude. Eine sonderbare Grundstimmung in einer sonderbaren Welt und eine der unheimlichsten Szenen jüngerer Filmgeschichte. Das sehr eigene Kompositum aus skurrilem Humor, Gruselstimmung und zynisch-dramatischen Bildern von Toten auf der Straße lässt am ehesten den Eindruck einer Satire entstehen. Und eine Satire ist It’s all about Love auch, allerdings eine, die bitterer als heiter ist und mit viel Symbolik und Theatralik daherkommt.
Mit seiner bedeutungsschwangeren Art treibt es der Film gerne auch zu weit. Das ist über weite Strecken nicht schlimm, denn vor allem anderen ist die dystopische Liebesgeschichte ein inszenatorisch ungeheuer erhebendes Stück Wertarbeit, gegen Ende öffnet sich die Kluft zwischen Anspruch und Ergebnis aber immer weiter.
Bis dahin ist es aber eine Freude, dabei zuzusehen, wie der Film fast schon spielerisch hin und her hoppst zwischen Mystery, Grazie und Drama und dabei scheinbar mühelos jederzeit stringent und in sich schlüssig wirkt, während die einzelnen Stimmungen, die einander eigentlich so fremd, ineinander aufgehen. Das spiegelt sich auch auf klanglicher Ebene wieder, wenn immer wieder zärtliche Harmonien Zbigniew Preisners auf unheilvolles Dröhnen gelegt werden, beide Spuren einander aber nicht bekämpfen, sondern sich in spezieller Weise aufeinander beziehen.

Das alles sind Dinge, die ziemlich gut darüber hinwegtäuschen können, dass Thomas Vinterbergs Sci-Fi-Fabel kaum Geschichte und Substanz hat. Ja, es passiert viel. Da wird immer mal wieder weggerannt und dann sofort wieder intrigiert, Nachrichtenausschnitte geben Kostproben von globalen Merkwürdigkeiten, komische Gestalten halten komische Ansprachen, man sieht einiges an Eiskunstlauf und regelmäßig finden die Liebesspiele zwischen John und Elena an diversen Örtlichkeiten statt. Doch ist die Geschichte selbst verhältnismäßig dünn und kommt kaum voran. Das macht den Film nicht kaputt, denn unterhaltsam ist er aufgrund seines perfektionistischen Stils und dem ganzen Hin und Her in Sachen Details- und Stimmungen ja schon, wünschenswert wäre es aber gewesen, wenn der eigentliche Erzählstrang mehr zu bieten hätte. So ist die Story nicht nur ziemlich schmächtig, sondern auch nur mäßig interessant ausgefallen. Schade ist außerdem, dass die durchgehend tadellose Ausführung zum Ende hin merklich nachlässt und das Geschehen darüber hinaus im letzten Viertel plötzlich sehr gehetzt wirkt, was dem Gesamteindruck einen kleinen Stoß versetzt. Wenn dann auch die unterschwellig sowieso schon immer drohende Theatralik auch noch die Überhand gewinnt, während Symbolträchtigkeit, Kitsch und künstlich aussehendes Schneegestöber aufeinanderprallen, dann können die vielen Schönheiten des Filmes das nicht mehr überdecken. Die formvollendete Kameraarbeit Anthony Dod Mantles (Dredd) tritt zu diesem Zeitpunkt ebenso die Talfahrt an, wie der Rest. Dieser akute Nachlass an Qualität ist derart augenfällig, dass man fast meinen könnte, es wäre Teil des Konzeüts – und zu Vinterbergs Dogma-95-Hintergrund würde das durchaus passen. Doch ganz davon abgesehen, dass er selbst seinen Film als Anti-Dogma-Werk betitelt, lässt es sich auch einfach nicht schönreden, was da geschieht.

Und dann ist da noch Sean Penn als Johns reisender Bruder, der Schriftsteller ist, aber eigentlich nur redet. Laut in Headsets redet, inmitten vollbesetzter Flugzeuge, Sätze sagt, die der Tiefe und der Wahrheit, die in der Liebe der Protagonisten liegt, Flügel geben sollen. Wer der Meinung ist, Penns Rolle in The Tree of Life sei überflüssig, der wird dies nach It’s all about Love wahrscheinlich noch mal überdenken. Terrence Malick ist übrigens ein wohl gar nicht so verkehrtes Stichwort, wenn man transportierte Gefühle, vor allem aber die Ambitionen des Filmes an einem Vergleich festmachen möchte. Nur unterscheiden sich Malicks Werke und It’s all about Love gravierend voneinander, wenn es um die Umsetzung dieser Ambitionen geht.
Zurück aber zu Johns Bruder. Sein großes Ziel ist es, einen Bricht über den Zustand der Welt zu schreiben. Und ja, dafür gibt es diese Figur, denn das möchte der Film – wie ja so viele Science-Fiction-Werke – gerne sein: Ein Bericht über den Zustand der Welt. Doch auch, wenn sicher viel Wahres in den kleinen und großen Problemen, die im Film auf mannigfaltige Weise thematisiert werden, so sollte ein solcher Bericht, wenn er Wahrheit für sich beansprucht, doch Abstand nehmen von zu viel Kitsch. Denn leider Gottes ist in dieser Welt für den wahren Nicht-Vorweihnachtskitsch einfach kein Platz.

Fazit

Auch wenn die tatsächliche Geschichte nur eine hauchdünne Membran zwischen Stimmung und Ästhetik ist, ist It’s all about Love in erster Linie interessant und durchaus kurzweilig. Es ist ein Essay über die moderne Gesellschaft, mit all ihren Tücken, Prioritäten und Begleiterscheinung, geschrieben in einer Sprache, die bisweilen arg pathetisch klingt und versetzt mit Metaphern, die zu oft den Eindruck erwecken, vorrangig um ihrer selbst zu existieren.
Freude bereitet Vinterbergs Parabel allein schon wegen ihrer technischen Perfektion und dem gekonnten Spiel mit Stimmungen. Abgesehen davon, dass der Film zum Ende hin stark nachlässt, muss man aber damit leben, dass er einfach viel weniger ist, als er zu sein vorgibt.