Kick-Ass 2

Mark Millar schuf Wanted. Aus Wanted wurde ein Film und der Film war gut. Mark Millar schuf Kick-Ass. Aus Kick-Ass wurde ein Film und der Film war gut.
Nun, Regisseur und Autor von Kick-Ass war Matthew Vaughn, der schon Film wie Der Sternenwanderer, Harry Brown, Layer Cake und X-Men: Erste Entscheidung veredelte. Regisseur und Autor von Kick-Ass 2 ist Jeff Wadlow – und das ist das Problem.

I try to have fun. Otherwise, what’s the point?

Story

Dave Lizewski aka Kick-Ass wollte das Kostüm eigentlich an den Nagel hängen. So ein rein ziviles Leben ist aber langweilig und wenn man einmal Superhelden-Luft geschnuppert hat, Adrenalin schmecken lernte und omnipräsentes Medienphänomen war, dann erst recht.
Folglich will Dave wieder in das grüne Polyesterkostüm schlüpfen. Er weiß aber auch, dass er alleine es nicht mal mit einem lausigen Taschendieb aufnehmen kann. Hit-Girl muss zurückkehren.
Doch Mindy denkt nicht dran, die lila Perücke aus dem Schrank zu nehmen, und bemüht sich redlich, ein normales Teenager-Leben mit all den wundervollen Problemen aufzubauen.
Da kommt es fast gelegen, dass  Chris D’Amico, der im ersten Teil als Red Mist schon Stunk machte, den Tod des Vaters rächen will und seinen Rachefeldzug gegen die persönliche Nemesis Kick-Ass ausbaut..
Jeder von beiden scharrt ein Rudel überengagierter Schläger um sich, um als Helden- bzw. Schurkentruppe das Gesicht der Stadt zu verändern.

Kritik

Kurz innehalten, um den ersten Kick-Ass zu rekapitulieren. Der erste Teil brachte frischen Wind durch unkonventionell aufbereitete Selbstironie auf das Superhelden-Genre in die überbevölkerte Welt der kostümierten Wundermänner. Dabei nahm der Film sich selbst und seine Figuren durchwegs ernst. Das Absurde erhielt eine tragische Note und wurde ungemütlich direkt und realistisch. Ein Film, der nicht nur inszenatorisch durch perfektes Timing bestach, sondern auch historisch: Inmitten abgehobener Geschichten über abgehobene Capeträger holte Kick-Ass ein ganzes Subgenre wieder auf den Boden zurück.  Der ganz spezielle Coup war aber Nicolas Cage, der mit Big Daddy und seinem grässlichen Porno-Schnurbart eine seiner schönsten Rollen hatte.

Wie es unter Sequels Brauch ist, versucht auch Kick-Ass 2 alles, um den Vorgänger gleichzeitig zu reproduzieren und ihn zu überbieten. Und wieder einmal kentert das Vorhaben. Dabei standen die Sterne anfangs noch ganz gut. Die Comic-Vorlage hatte tatsächlich ebenfalls Fortsetzungen, an denen man sich bedienen konnte, die alte Crew konnte zusammengerottet werden und was in Teil 1 Nicolas Cage (Ghost Rider: Spirit of Vengeance) war, sollte nun Jim Carrey werden.
Nur leider bringt all das nichts, wenn auch die Vorlage schon qualitativ nicht mit dem Original mithalten kann, der Knalleffekt des ersten Mals fehlt und Jim-Carreys Colonel Stars and Stripes aller Sinn und Tiefe fehlt. Darüber hinaus – und das ist vielleicht das Traurigste – wurden die klugen ironischen Spitzen durch platte und einfallslose Kalauer ersetzt. Offenbar hatte man den Plan, all die Makel auszugleichen, indem man einfach den Gewaltschraube ordentlich anzieht, doch führt auch das nur dazu, dass Kick-Ass 2 neben planlos und peinlich zusätzlich noch geschmacklos wurde. Dass die minderjährige Mindy als Hit Girl reuelos Menschen richtete, war eingangs geschicktes Stilmittel, um den Zuschauer zu irritieren und dazu zu zwingen, sich moralischen Zweifeln zu stellen. Nun ist die Frage nach der Verhältnismäßigkeit nur noch vorgeschoben, um das Mädchen als fleischgewordene Misantropie möglichst brachial in Szene zu setzen.
Die Handlanger des Bösen sind ebenso abgegriffen und völlig arm an Eigenschaften, die über unerträglichen Klamauk und rassistische Klischees hinausgehen.
Ein paar gelungene Ideen sind dabei, ein paar Schmunzler ebenso, aber diese Minderheit steht in einer großen Pfütze aus fader Einfallslosigkeit und bekommen nasse Füße.
Am unerträglichsten sind aber die nervigen Dialoge. Selten viel so oft die Frage „Wie war das noch mal?“, damit jemand für den Zuschauer die Lage erklären kann. Und selten waren Schlagabtausche uninspirierter und höhepunktärmer als hier.

Übers Schauspiel kann man sich kaum beklagen Aaron Taylor-Johnsons gibt den namensgebenden Anzugträger so tapsig und verdreht wie noch in Teil 1. Hit Girl darf mehr zeigen und kommt als Charakter damit schlechter weg, weil die kunstvolle Vereinigung von Zerbrechlichkeit und Stahleshärte hier durch strikte Trennung abgelöst wird und die Figur damit ihre spannende Ambivalenz  einbüßt. Werbefigur Jim Carrey, der sichtbar Spaß hat und am Ende für Aufsehen sorgte, weil er sich wegen des Gewaltgrads (und vermutlich fehlender Qualität) vom Film lossagte, schafft es auch mit seinem ambitioniertem Spiel nicht, die lahme Figur seines Colonels im Ansatz interessant zu machen, so furchtbar ist das Script geraten.
Der definitive Tiefpunkt des Filmes ist ein Kotz- und Fäkalballett in der Schule, aber auch Späße über Vergewaltigungsversuche und Tetrismusik zu Polizistenmorden sind pietätlos ohne im Ansatz witzig zu sein. Wo das Original noch durch kesse Provokation aber dem Herz am rechten Fleck punktete, ist Kick-Ass 2 an vielen Stellen bloß noch erbärmlich.
Es ist schon zum Weinen, wie sehr sich der Film in fast jeder Szene darum bemüht, den Stil des Vorgängers zu erreichen und in jeder Szene tief fällt. Der vormals geniale Musikeinsatz ist nun kaum mehr als beliebige Begleitung zu beliebigen Szenen. Selbiges trifft auch auf die Kämpfe zu, die in Matthew Vaughns Umsetzung so wunderbar direkt inszeniert waren, dass sie gleichzeitig der Schalk im Nacken und die Faust im Magen waren. Jetzt regiert Austauschbarkeit.
Die Ursprungsprämisse, die Superhelden so aussehen zu lassen, als agierten sie in der echten Welt, wird ebenso verraten, weil die Welt von Kick-Ass 2 nun unverkennbar eine Comicwelt ist. Polizisten, die nicht mal mit einem Verkehrsdelikt gewachsen wären, eine Heerschar an Comic Reliefs und quietschige Sidekicks rauben dem Szenario die für das Konzept so wichtige Authentizität.

Fazit

Wenig vom wertvollen Geist des ersten Teils steckt noch in Kick-Ass 2. Stattdessen bietet der Film plumpe Unterhaltung mit niederem Humor, unmotivierten Charaktermomenten und sonderbaren Handlungsverläufen. Wegen fehlender Intensität geht das Geschehen nie nahe und die vormals markanten Figuren und Situationen weichen blasser Beliebigkeit.
Kick-Ass 2 ist musterhaftes Beispiel dafür, wovon Helden sich in Acht nehmen müssen: Sich den Erfolg zu Kopf steigen zu lassen und durch Übermut selbst zu erniedrigen.