Grabbers

Ein Jahr nach der erfolgreichen Sci-Fi-Horror-Komödie-Milieustudie (oder so) Attack the Block von Joe Cornish fallen die Außerirdischen schon wieder über ein paar Underdogs in Europa her. Das große Zerstören von Großem kommt aus der Mode.
Jon Wright, Regisseur von Grabbers, konnte mit seinem Debutfilm Tormented den nötigen Zaster für die Produktion zusammenkratzen – und macht damit offensichtlich exakt das, worauf er Lust hat.

It’s the quiet places where all the mad shit happens.
Story

Ein Komet, strahlend schön wie ein Engel, plumpst in schräger Linie ins Meer. Direkt vor den Augen eines deckschrubbenden Fischers. Ehe man sich versieht, ist ein struppiger Komparse namens Roy nach den Worten „Ja!“, „Warte mal!“ und „Neeeein!“ auch schon vom Bord verschwunden und der Rest der dreiköpfigen Crew folgt ihm eilig.
Aliens suchen die Erde heim. Genauer gesagt das irische Fischerdörfchen Erin Island, offizielles Hauptquartier der Schnapsdrosseln und des Schmuddelwetters.
Gerade jetzt haben O’Shea und Lisa ihren ersten gemeinsamen Tag auf Streife und können sich nicht natürlich überhaupt nicht ausstehen. Er ein Schluckspecht, sie ein Workaholic.
Nach und nach kommen sie zusammen mit den anderen windschiefen Figuren des Eilands der extraterrestrischen Wahrheit auf die Spur, während sich die glibbrige Bedrohung immer weiter ausdehnt und sich durstig am Blut der Einheimischen gütlich tut.
Als der Abend der Entscheidung naht, sind die Bewohner von Erin Island auf sich allein gestellt, weil ein Sturm alle Wege zum Festland abschneidet.
Es muss ein Rettungsplan her, der eines Iren würdig ist.

Kritik

Grundidee und Ausgangslage gewinnen keine Innovationspreise. Sei’s drum. Dafür sieht man dem Film bereits in den ersten Szenen an, dass hier mit viel Liebe zum Film und Filmemachen zu Werk gegangen wurde. Grabbers besticht mit schönen, aber unaufdringlichen Landschaftsaufnahmen der urigen Schauplätze in überraschend satten Bildern. Kaum eine Kameraeinstellung erweckt den Anschein von Beliebigkeit. Die Schauspieler passen in ihre Rollen und das Zusammenspiel zwischen ihnen funktioniert gut. Das Drehbuch gibt genug kleine und große Reibungspunkte, an denen die beiden sich zanken und kennenlernen können, um dann irgendwann für den großen Kampf gerüstet zu sein. Zu allem gibt es eine latent zynisch übertriebene Musikuntermalung, die das Gesamtbild abrundet. Grabbers langweilt in keiner Minute, weil man ganz fraglos mit großer Überzeugung an dem Film gearbeitet hat.
Lange gibt es von den Aliens nichts zu sehen, obwohl der Berg der Opfer stetig wächst. Gestorben wird eine ganze Weile auf typische Slasher-Manier. Der Verdammte schreit, zappelt und wird von etwas, das außerhalb des Bildes ist, zermatscht, gemampft oder verschleppt – letztendlich aber alles drei. Und wenn man ein solches Ungeheuer dann zu Gesicht bekommt, darf man positiv überrascht sein, weil es sich von üblichen Creature-Designs abhebt, ohne dabei gleich zu abgehoben zu wirken. Man hält sich einfach an die älteste Regel der Menschheit: Je mehr Tentakeln, desto toller. Ganz besonders erfreulich ist, dass gezeigt wird, wie sich Tentakeldinger eigentlich am effizientesten bewegen. So naheliegend! Und doch ist noch niemand zuvor drauf gekommen. Cudos an die geniale Person mit diesem Einfall.

Der Humor ist unaufdringlich und trocken. Über weite Strecken ist der Film genaugenommen so gemütlich wie die Mentalität des verschlafenen Nests, das nicht ahnt, was ihm schwant. Grabbers könnte sich problemlos über seine Figuren lustig machen, haben sie doch allesamt mehr als genug Fehler hierfür, vermeidet dies aber von Anfang an. Stattdessen behandelt der Film sie mit Respekt und erzählt sogar ihre Ausrutscher mit zurückhaltender Sensibilität.
Selbst das Sterben ist nicht bedrohlich sondern vielmehr – und das mag womöglich das falsche Wort sein – nett, als würden die Unglücklichen ihr eigenes Ableben auch mit einem Augenzwinkern sehen.
Mit fortlaufender Dauer nimmt der Humor etwas an Tempo auf und wird ein wenig vorlauter, bleibt aber trotzdem meilenweit entfernt von aufdringlicher Albernheit, wie man sie in vielen anderen Horror- und Sci-Fi-Komödien erdulden muss. Im Gegenteil, Grabbers legt gerne mal falsche Fährten, lässt Befürchtungen aufkommen, wie sich in wenigen Momenten ein vorhersehbarer Witz aufbauen könnte, und lässt der Szene dann an ganz anderer Stelle den Druck ab.
Abgesehen davon zollt man der provinziellen Mentalität Tribut. Dabei zuzusehen, wie unprofessionell und sorglos mit den brandgefährlichen und außerirdischen Proben umgegangen wird, ringt mehr als nur einmal ein Schmunzeln ab und trotz ihrer abgeschiedenen Lage sind die Bewohner eigentlich allesamt sehr ausgeglichen und zufrieden mit ihrem Leben.
Eigentlich können nur zwei Sachen die Schaufreude ein wenig und auch nur kurzzeitig drosseln: Die Erkenntnis, dass auf einer so großen europäischen Insel keine 50 Leute zu wohnen scheinen. Und eine sich deutlich zu abnhängig an Genreklischees lehnende Hürde am Schluss, die beweist, dass alle Horrorfilm-Figuren letzten Endes doch eine ähnliche IQ-Stufe haben.
Das gesamte letzte Drittel ist dann eigentlich schon fast Finale. Und zwar eines, das sich sehen lassen kann. Evan Goldbergs und Seth Rogens kommende Apokalypsen-Party This is The End hat da eine gar nicht so niedrige Hürde zu nehmen.

Fazit

Ein durch und durch sympathisches und bodenständiges Plädoyer für Gelassenheit, das sich tarnt als Monsterfilmchen über blutsaugende, mit Tentakeln versehene Weltraumviecher.
Grabbers führt anschaulich vor, dass viele gute kleine Ideen besser sind als nur eine große und ist damit optimale Abendunterhaltung, ob alleine oder in der Gruppe.
Unbeschwert, very british und eine Ode an den Suff.

Man darf gespannt sein auf Jon Wrights dritten Film, der den vielsagenden Titel Our Robot Overlords tragen wird.

Fantasy Filmfest Special: Portrait of a Zombie

Fantasy Filmfest Special 5

Inmitten der Blütezeit des Found-footage-Films mag man fast schon instinktiv zusammenzucken, wenn man von einer neuen Mockumentary hört – besonders in Kombination mit Horror. Nicht ganz zu Unrecht fürchtet man mehr Handkamerageschüttel als in jedem Teil der Bourne Trilogie, viele schlecht gestellte Interviews und einen toten Kameramann, mit dem der Film sich am Ende feige aus der Affäre zieht.
Wenn nur 50.000 Dollar zur Verfügung stehen und man trotzdem das ausgelaugte Genre des Zombiefilmes am liebsten revolutionieren möchte, bietet sich die Wahl einer Fake-Doku aber durchaus an.


Jesus was not a zombie. And Billy is not Jesus.

Story

Dublin irgendwann während einer zukünftigen Zombieplage. Anstatt die Insel zu evakuieren, hat man sich dazu entschieden, das bisherige Leben so gut wie möglich weiterzuführen. Die Kneipen und Supermärkte sind gefüllt, die lokalen Banden Kleinkrimineller haben endlich ein ordentliches Feindbild und jeder versucht, Zombieinvasion und Alltag unter einen Hut zu kriegen. Die Epidemie ist letztlich auch nur eine Krise unter vielen.
Wer angekaut und somit angesteckt wird, gilt als verloren und trottet fortan als Hirngourmet durch die Straßen, sofern er nicht rechtzeitig erlöst wird.
Aber es gibt nicht nur Schwarz und Weiß in Irland. So wird eifrig debattiert, ob Zombies nicht auch Rechte haben sollten – oder ob man sie gar zu Vegetariern umerziehen könnte.
In einem solchen Graubereich liegt auch der Weg der Familie Murphy. Sohnemann Billy wurde infiziert, wird von den fürsorglichen Eltern aber weiter im Haus behalten und als vollwertiges Familienmitglied behandelt, während er ans Bett gekettet und mit einem Maulkorb versehen vor sich hin faucht, fault und frisst.
Der Film folgt einem Team junger Dokumentarfilmer, das sich des Familienschicksals annimmt.

Kritik

Schon in den ersten Minuten wird klar, dass Portrait of a Zombie nicht nur den Zombiefilm, sondern auch Mockumentaries kräftig durch den Kakao ziehen will. In Interviews wird herrlich manipulativ emotionalisierende Musik verwendet und bewegte Bilder aus der Zeit, in der Billy noch ein Bursche mit gesundem Appetit war, werden mit einem Farbfilter modifiziert, bis das eigentliche Motiv vor lauter Bildfehlern kaum noch identifizierbar ist.
Gerade in der ersten Hälfte sind Interviews in der Tat auch das prägende Stilmittel. Trotzdem entwickelt der Film hier nur wenige problematische Längen. Die naiven Eltern, die das Zombiedasein ihres Sohnes behandeln, als litte er lediglich an einer mittelschweren Grippe, während sie mit vor Liebe brüchiger Stimme davon berichten, wie schwer es ihrem Billy nun falle, neue Freunde zu finden, sind mit ihrer zwanghaft optimistischen Attitüde für einige Lacher gut, von denen manche durchaus im Halse steckenbleiben. Aufgrund der ungewohnten Perspektive drängen sich an wenigen Stellen sogar subtile Vergleiche mit We are what we are auf.
Auch die sonstigen Gestalten, die man vor die Kamera stellt, wissen Abwechslung ins Geschehen zu bringen und steigern die Absurdität der Situation streckenweise ganz beachtlich. So bringen die verängstigten Bürger, die das unvorsichtige Treiben von Familie Murphy aus Angst um ihre eigene Sicherheit nicht gutheißen können, das notwendige Konfliktpotenzial für den Anfang.
Man beschränkt sich dabei nicht ausschließlich auf die Aufnahmen des Teams, sondern liefert bei Bedarf – und das ist gar nicht so selten der Fall – auch Sequenzen einer stinknormalen extradiegetischen Kamera. Dass man Material der Filmcrew vorgesetzt bekommt, merkt man immer dann, wenn das Bild überdurchschnittlich stark hin und her springt. Die Kamera ist hier tatsächlich noch nervöser als in vielen anderen Vertretern mit ähnlicher Herangehensweise.

Während der Film sein kleines Budget häufig durch den gewollten Dokustil und einen meist gelungenen dichten Klangteppich verbergen kann, stellen die zahlreichen Untoten hier eindeutig die Achillesferse dar. Zwar hat man sich beim Makeup sichtlich Mühe gegeben, trotzdem bleibt man weit von der gewünschten Illusion entfernt, dass es sich nicht um eine Meute Statisten handelt, die mit jeder Menge Puder und klar erkennbaren Kontaktlinsen entsprechend hergerichtet wurde.

Nach der Halbzeit werden plötzlich zwei völlig unerwartet heftige Szenen geboten, die aufgrund ihrer rücksichtslosen Inszenierung und im ersten Fall außerdem wegen des eindeutigen Willens zur Kontroverse auch abgebrühte Genreveteranen ungläubig zucken lassen.
Dafür fehlt es im zweiten Teil und ganz besonders im gedehnten Finale klar an Ideen. Wenn die Figuren zu ratterndem Industrialgewitter völlig willkürlich das Zeitliche segnen und eine Sterbeszene amateurhafter als die andere wirkt, ist von der anfänglichen Unterhaltung keine Spur mehr vorhanden.

Fazit

Mit Portrait of a Zombie ist Bing Bailey ein grundsätzlich interessantes Erstlingswerk gelungen. Zu Anfang macht der Film nicht nur vieles anders, sondern überzeugt auch durch treffsicheren Humor. Im weiteren Verlauf erschöpft er sich aber immer mehr in seiner Ausgangsidee und weiß im letzten Akt sichtlich nicht, wie er zum Ende kommen soll.