Sense8

Seien wir ehrlich, Matrix war toll, die Fortsetzungen nur ein Schatten. Speed Racer kennt heute schon kein Mensch mehr, Cloud Atlas soff (unverdient) an den Kassen ab und Jupiter Ascending war das Verzweifelte Aufbäumen von zwei Künstlern, die sich plötzlich nichts mehr trauten. Und nun eine ganze Serie von ihnen. Auf Netflix. Wieder mit

This is what life is. Fear, rage, desire… love.

Story

Acht grundverschiedene Personen, die verschiedenen Kulturen, Kontinenten und Philosophien zugehörig sind, verbindet scheinbar nur ihr Alter. Plötzlich aber sind sie auch emotional, mental und kognitiv miteinander verbunden. Ein Busfahrer aus Narobi, ein Kleinkrimineller aus Deutschland, eine Kickboxerin und Tochter eines mächtigen Geschäftsmannes aus Seoul, eine transsexuelle Bloggerin mit Hackertalenten, eine Indierin vor ihrer arrangierten Hochzeit, eine mit dem Leben hadernde Djane aus Island, ein rechtschaffender Polizist aus Chicago und ein mexikanischer Soap-Star, der seine Homosexualität verbergen muss, teilen plötzlich die gemachten Erfahrungen, was nützliche, aber auch befremdliche Situationen bedingt.
Was sie bald zusätzlich verbindet, ist ihre Unwissenheit, was es damit auf sich hat, aber auch die Skepsis und Angst gegenüber allen, die etwas von diesem unheimlichen Phänomen zu wissen scheinen.

Fazit

Diesen Eindruck macht Sense8: Eine Serie, die sich Zeit für ihre Figuren nimmt, die großen Wert auf Charakteraufbau legt und Großes entstehen lassen möchte, das aus komplexen Verflechtungen von glaubhaft Kleinem erwächst. Bereits in seinem Konzept präsentiert sich Sense8 als kleiner Anachronismus in der schnelllebigen Serienwelt von heute. Und natürlich ist Netzflix Prduzent und Ausstrahlungsort in einem, um sich mit einer weiteren Serie zu profilieren, die sich nicht pro Folge, sondern pro Staffel beweisen muss und bleischwere Namen auf handwerklicher Seite aufweist: Nicht nur die Wachowskis, die sich seit Matrix auch finanzielle Riesendebakel wie Jupiter Ascending leisten können und immer noch mit Samthandschuhen getätschelt werden, sondern auch J. Michael Straczynski – der Schöpfer von Babylon 5 (und zuletzt Drehbuchschreiber von World War Z) – sitzen am Steuer.
Und in der Tat, es ist richtiggehend wohltuend, dabei zuzusehen, wie die Geschichte sich nicht Schlag auf Schlag, sondern in dynamischer Langsamkeit entfaltet. Zwar sind die einzelnen Geschichten für sich genommen nicht immer übermäßig interessant, durch den ständigen Wechsel zwischen den Erzählsträngen, federt die Serie ihre Schwache jedoch perfekt ab. Das ist die eine, aber ausschlaggebende Stärke von Sense8, der Sog des Verschiedenen, die Macht der Kompilation, letztlich die Faszination eines Puzzles im engeren Sinne. Denn nach und nach gesellen sich die einzelnen Stränge zueinander, berühren sich anfänglich nur dann und wann einmal sachte, ehe sie sich selbst straffen und dazu ansetzen, ein Knoten zu werde. Eine erzählerische Offenbarung darf und wird niemand erwarten. Was die Serie ausmacht, ist ihr eigener, sehr selbstbewusster Erzählton.

Ungewöhnlich für eine Netflixproduktion dieses Kalibers ist, dass keines der zahlreichen Gesichter ein bekanntes ist. Vor allem in einer Zeit, in der jede neue Serie sich mit dem Konterfrei von mindestens eine Tripple-A-Sternchen schmückt, sind die unbekannten Schauspieler eine kleine Wohltat, denn dadurch wirken auch die Charaktere frischer und man selbst begegnet ihnen vorbehaltloser. Das ist aber auch notwendig, weil man sich offenbar zu der Vorsichtsmaßnahme gezwungen sah, allen übertrieben markante Eigenschaften zu verleihen, damit bloß keine Diskussion über deren Existenzberechtigung entstehen kann.
Das Leben desjenigen, der einen pathetischen Job hat, ist auch pathetisch, das Leben jener, die ein vergleichsweise langweiliges Leben haben, ist auch langweilig. Und das Leben derjenigen, die eine potenziell interessante Geschichte haben, wird zu selten gezeigt. Das sorgt zugegebenermaßen nicht nur für einen gewissen Ärger, sondern auch für eine gewisse Abwechslung.

Immer dann, wenn die Geschichte kurz in einer Kurve Geschwindigkeit dazugewinnt, macht Sense8 aber auch gerne klar, wieso seine Darstellerschar zuvor nicht bekannt war, denn ein großes Talent ist an keinem der Beteiligten verloren gegangen. Wobei man fairerweise festhalten muss, dass es oftmals definitiv an der Führung der Schauspieler und nicht an ihrem Handwerk liegt, dass manche Szenen urplötzlich so lächerlich wirken, dass man kaum noch annehmen kann, es handele sich hier nicht um eine Komödie. Es sind jene Momente, in denen auf einmal Michael Bay-artige Kameraarbeit in Verbindung mit Zeitlupen und Bombastgepauke auftanzen. Wenn sich dann auch noch jemand wie ein Wrestler in Rage das Shirt von der durchtrainierten Tattoo-Brust reißt, animalisch grunzt und ein grotesk überinszenierter Faustkampf startet, hat das einen eigenartigen, gar nicht so uninteressanten Effekt, wenn man dies mir der ansonsten so behäbigen Inszenierung kontrastiert. Dass sich die Regie unter anderem mit den Wachowski-Stammmitarbeitern Tom Tykwer und James McTeigue (V wie Vendetta, Ninja Assassin) geteilt wurde, lässt sich an diesen plötzlichen Stilbrüche vielleicht erklären, eigentlich sind sie aber zu rabiat, um nicht zum Konzept zu gehören.

Konflikte verlaufen stets immer nach der gleichen, kaum variierten Rezeptur ab. Einer der Acht, der von Natur aus friedlich ist, gerät in eine scheinbar ausweglose Bedrohungssituation, wo dann schließlich ein anderer der Acht eingreift, um der Bedrohung die Hölle heiß zu machen. Verpackt ist das stets in bemerkenswerte Choreographien, deren Brutalitätsgehalt von Folge zu Folge zunimmt, im Kern ist dies aber jedes Mal dieselbe Peripetie, wodurch Spannung nur durch die Action, nicht aber wirklich durch die Handlung entsteht. In gewisser Weise macht das natürlich Sinn, den zwei der Hauptpersonen eifern fast schon wahnhaft zwei 80er-Jahre-Actionhelden nach, die schließlich ihre Probleme auf die gleiche Weise gelöst haben. Daran, dass die Wege, die die Drehbücher nehmen, nicht sonderlich fabelhaft sind, ändert aber auch das nichts. Von der irritierenden Message, dass der richtige Grad an Gewaltbereitschaft auch die einzig richtige Lösung für selbst herbeigeführte Probleme ist, einmal ganz abgesehen.

Als erstes fällt übrigens eine Entscheidung auf, die in den Augen vieler amerikanischer Zuschauer sicher nachvollziehbar erscheint, in ihrem skurrilen Effekt aber bis zum Ende der Staffel regelmäßig für Verwirrung sorgt: Die Handlung spielt an vielen, über den gesamten Globus verteilten Orten. Doch gleich ob Indien oder Deutschland, gesprochen wird stets in englischer Sprache. Nur dass man in Deutschland eben mit einem deutschen, in Indien mit einen indischen Akzent die Sprache markiert. Nur dann und wann, wenn es für die Handlung nicht relevant scheint, dringen trotzdem Brocken der jeweiligen regionalen Sprache in die Tonspur, geäußert von irgendeinem Statisten im Hintergrund.
Wie authentisch es gewirkt hätte, wie mutig es gewesen wäre, hier Konsequenz zu zeigen und eine Serie in verschiedenen Sprachen zu drehen, die nur über Untertitel geschaut, lässt sich vor allem dann vorstellen, wenn man den faulen Kompromiss sieht, den die Wachowski-Geschwister mit Sense8 eingegangen sind. Denn als großes Alleinstellungsmerkmal ist ja gerade der globale, mundane Aspekt inszeniert.
Trotzdem fühlt man sich nie betrogen und immer unterhalten, wobei gerade der erste Punkt in gegenwärtiger Zeit leider als dritte große Wohltat der Serie hervorzuheben ist. Die Geschichte bleibt ihre Tempo treu und obwohl sie bisweilen – vor allem aufgrund einer bestimmten Figur – immer mal wieder an Lost erinnert, bleibt sie interessant und spannend. So muss man Sense8 zum Ende hin etwas widerwillig attestieren, dass sie trotz nicht zu geringfügiger Fehler eine magnetische Wirkung ausübt, wie sie Serien heute viel zu oft abgeht.

Fazit

Die Ungleichheit einiger Figuren, immer wieder wunderliche Ausreißer in der Inszenierung und formale Fehlentscheidung, deren Unnötigkeit teils zum Himmel schreit, und nicht zuletzt unglaubwürdige Charakterwege machen es in der Theorie schwer, Sense8 zu mögen. Erstaunlicherweise ist es in der Praxis aber gar nicht so schwer, mit der Serie warm zu werden. Denn das Wachowski-Projekt hat etwas, das man wenig sachlich wohl als „Herz“ bezeichnen und das sich etwas präziser als Effekt einer ambitionierten Erzählweise erfahren lässt. Primär liegt das einfach nur am hohen Abwechslungsreichtum, der naturgemäß eintritt, wenn sich acht über die ganze Welt verstreute Protagonisten ständig abwechseln. Man mag naserümpfend abwinkend murren können, dass es die Serie sich damit natürlich ganz schön leicht macht – daran, dass der Plan aufgeht, ändert das aber nichts.
Und schließlich ist diese dreiste Art des Beugen von Normen ja genau das, wofür die Matrix-Eltern einst die weltweite Achtung aller Filmaschauenden ernteten.

Real Humans – Staffel 1

Was unterschied eine schwedische von einer amerikanischen Serienproduktion in Sachen Science-Fiction? Hollywood hat mehr Geld, mehr Leute, bekanntere Gesichter und vor allem mehr potenzielle Zuschauer. Was genau die Schweden stattdessen aufbieten können, darauf macht Lars Lundström mit Real Humans aufmerksam.


Tu es für Flash, Gordon.

Story

Hubots, eine Komposition aus Humans und Robots, sind lang schon Teil der menschlichen Umwelt. Die Androiden sehen beinahe aus wie ihre Erschaffer, unterscheiden sich aber durch künstlichen Teint, kalte Augen und leicht mechanische Bewegungsabläufe. Für fast jedes Bedürfnis existiert ein besonders gut geeignetes Modell. Ob Haushaltsarbeit, Altenpflege, Fitnesstrainer oder Sexobjekt – die Hubots arbeiten schnell und fehlerfrei, klagen nicht, essen nicht, müssen keine Notdurft verrichten und brauchen nichts als gelegentliche Ladepausen an der Steckdose.
Es ist den Menschen bewusst, dass sie es mit Robotern zu tun haben, doch imitieren diese das menschliche Verhalten so originalgetreu, dass sie es schnell vergessen können. Und so behandeln ehemalige Zweifler den neuen Hausbot plötzlich wie ein Familienmitglied – und irgendwann sind sich die hilfreichen Maschinen selbst nicht mehr sicher, wer, was oder warum sie eigentlich sind. Menschen, die Beziehungen zu ihren Hubots aufbauen, werden verächtlich „Hubis“ geschimpft. Wie immer, wenn es um Neues geht, scharen sich Menschen zusammen, die erst einmal dagegen sind, gründen die Pöbel-Partei „Echte Menschen“ und trinken nur Kaffee, der auf seinem Weg von der Bohne in die Kanne keinen künstlichen Finger gespürt hat.
Doch immerhin gibt es ja die allgemeingültigen Robotergesetze.

In dieser Welt kreuzen sich die Wege verschiedener Menschen und Hubots. Fabrikarbeiter Rogoer fühlt sich beruflich wie privat zunehmend von den Maschinen ins Aus gedrängt. Arbeitsplätze werden wegrationalisiert und Frau und Kind brennen kurzerhand mit der Haushaltsmaschine durch. Er schließt sich einem extremistischen Trieb der Real Humans an.
Leo trennt sich von einem Verbund Hubots, die aus bestimmten Gründen frei und selbstbestimmt sind, um die von ihm geliebte Roboterdame Mimi aus den Fängen von Schwarzmarkthändlern zu befreien. Der Rest der Gruppe sucht Unterschlupf bei einem lesbischen Menschenpaar. Doch bald schon scheint es Interessenkonflikte zu geben.
Die entwendete Mimi wird zwischenzeitlich von der ahnungslosen Familie Engman erworben und schnell ins Herz geschlossen. Auch der alleinlebende Großvater ist von Grund auf zufrieden mit seinem Hubot Odi – bis dieser eine Funktionsstörung erleidet, gewalttätig wird und entsorgt werden muss. Sein Ersatz ist ein schrulliger Altenpfleger-Hubot, der Lasagne und Rotwein verwehrt, das Äußere einer strengen Schuldirektorin hat und das Leben des Rentners mehr und mehr einzuschränken droht.

Kritik

Roboter, die ihre Menschlichkeit durch Liebe oder Liebe durch Menschlichkeit entdecken. Die nicht nur Schaltkreise und täuschend echte Emotionen in ihrem Programm haben, sondern ein Gefühl von Seele.
Kennt man alles – und wenn man ohne Vorwissen die Beschreibung von Real Humans überfliegt, mag man vielleicht verhalten gähnen, denn Battlestar Galactica und Konsorten dürften bei Vielen die Sehnsucht nach diesem Thema für mehr als nur ein Leben ausreichend befriedigt haben.
Doch Real Humans ist nicht auf den Kopf gefallen und sich dessen bewusst.

Einen unglaublich spannenden Mikrokosmos von einer Kleinstadt haben die Schweden da entworfen. Fies, klein, voller Leben und trotz all der Unwahrscheinlichkeiten und Technikphantasien vielleicht gar nicht so realitätsfremd, wie man im ersten Augenblick meinen könnte.
Oben erwähnte Erkenntnisse sind nicht das Ziel, sondern der Ausgangspunkt der Serie. Schon in der ersten Szene stoßen wir auf Androiden, die dies alles durchgemacht und nun verinnerlicht haben. Roboter, die sich gegenüber dem Menschen emanzipieren und behaupten konnten und nun nicht mehr Sklaven eines organischen Herren, sondern Sklaven des eigenen Willens sind. Die Fragen, die die Serie mit dieser Situation stellt, lauten: ‚Wie kann das möglich sein?‘ und ‚Was passiert von hier an?‘.

Dadurch, dass die Roboter von echten Menschen gespielt werden, die lediglich ihr Gesicht etwas ausdrucksloser, ihre Haut etwas glatter und die Bewegungen etwas steifer haben, wirken sie umso surrealer. Wenn ein Hubot zum ersten Mal auf die Idee kommt, am Strand mit den Füßen ins Wasser zu gehen, wird das auf solch eindringliche Weise in Bilder gefangen, dass es schön und bedrohlich zugleich wirkt. Und beides in gleichstarkem Maße. Damit die Bewegungsabläufe künstlicher, aber eben nicht zu künstlich wirken, hat man Pantomime-Künstler zurate gezogen, um die Darsteller entsprechend zu schulen.

Die einzelnen Szenen und Geschichten sind gut arrangiert und bieten vor allem alle ihr eigenes Thema, ihren eigenen Reiz und ihre eigenen Fragen.
Natürlich geht es letztlich nicht darum, ob Maschinen Seele und Gefühlsleben haben oder nicht, sondern um Seele und Gefühlsleben von Menschen sowie die vielen verderbten Arten, wie sie mit Fremdem umgehen. Die Roboter lassen Fragen nach dem eigenen Ich und dem eigenen Selbst- und Weltverständnis stellen.
In Folge 4 fällt der Satz „Ihr habt uns doch geschaffen. Wir haben nicht gebeten, hier zu sein.“ – und schon steht die Gottesfrage wieder im Raum. Das alte Frankenstein-Dilemma, um das sich eigentlich die gesamte Serie unablässig dreht. Was unterscheidet uns von einer Maschine? Sind wir nicht nur deshalb wir, weil unsere Organe auf eine bestimmte Weise angeordnet sind und funktionieren? Weil wir in eine Gesellschaft hineingeboren wurden, die uns erzählt, wie wir zu sein haben und wie die Welt ist? Inwiefern ist das bei Robotern anders, sobald sie ein bestimmtes Maß an Eigenständigkeit erreicht haben?
Oder wann ist der Mensch so gut, dass er seine eigene Schöpfung fürchten lernen muss? Wie ein Gott. Und wie schwer ist es, ein guter Gott zu sein, ohne dass die Schäfchen zu Murren beginnen und ihren Erschaffer mit gutem Grund in Frage stellen?

Manchmal sind die Figuren etwas zu überzeichnet und nicht jedermanns Schauspiel ist auf gleichhohem Niveau. Doch ersteres ist vielleicht notwendig, um eine so breite Geschichte in nur 10 Folgen zu erzählen. Und letzteres fällt zum Glück nicht allzu schwer ins Gewicht und ist außerdem zum Teil auch Punkt Nummer 1 geschuldet. Etwas problematischer ist da schon der Fakt, dass die stark episodisch verlaufende Serie an einem Umstand kränkelt, der vielen ähnlich erzählten Geschichten gemein ist. Die häufigen und starken Verzweigungen der Erzählstränge sind von sehr, sehr vielen Zufällen geprägt. Auch hier gilt: Das ist notwendig, um in so kurzer Zeit so viel zu erzählen und die Spannung nicht abfallen zu lassen. Doch kratzt es natürlich trotzdem an der Glaubwürdigkeit und raubt so mancher guten Drehbuchidee Teile die ihr zustehenden Wirkung, weil ihre Inszenierung durch das gleichmütige Hinnehmen der Unwahrscheinlichkeiten ein wenig arbeitsscheu wirkt.
Doch auf der Gegenseite gibt es Real Humans einfach zu viel zugute zu halten. Das unkonventionelle Erzählen, die frische Geschichte an sich und vor allem eine Mischung aus Mut und Geschick. Mut, weil man es wagt, auf komplette Sympathiefiguren zu verzichten und lieber komplexe und problematische Charaktere im Graubereich serviert. Geschick, weil es der Serie trotzdem spielend gelingt, Empathie hervorzulocken und den Rezipienten an dem Schicksal der Figuren hängen zu lassen. Nur so können die Geschichten mit fortschreitender Zeit immer schneller und immer bedrohlicher auf Kollisionskurs gehen. Das führt mit sich, dass nicht alle Charaktere nachvollziehbar handeln und im späteren Verlauf insbesondere zwei auf eine kaum absehbare Weise überreagieren, sodass sie ihrem eigentlichen Profil eigentlich kaum noch entsprechen, erhält der Serie aber auch ihre attraktive Portion Unkalkulierbarkeit.

Die deutsche Synchronisation geht in Ordnung, ist aber nicht frei von Fehlern. Gerade die Sätze von Statistenrollen leiden unter sehr blasser Vertonung und müder Übersetzungsarbeit. Das Gesamterlebnis schmälern kann das aber nicht. Dafür ist auch die musikalische Untermalung einfach gut gelungen. In Verbindung mit der teils raffinierten Montage wird Real Humans mit der modernen klassischen Musikuntermalung immer wieder zu einem dramaturgischen Erlebnis.

Das Ende bietet ein angenehm unaufgeregtes Staffelfinale, das ausreichend viele Fragen öffnet und offenlässt, den Zuschauer aber dennoch hinreichend befriedigt. So soll es sein.
Einen Extrapunkt verdient sich die schwedische Ausnahmeserie übrigens dafür, dass das Passwort eines Regierungscomputers „aybabtu!“ lautet.

Fazit

Komplexe Charaktere mit viel Entfaltungsmöglichkeit in einer Welt, die sich nur durch ein bestimmtes Parameter von der unsrigen unterscheidet und doch ganz verändert ist. Ein altbekanntes Thema geschickt neu interpretiert und gleichzeitig brandaktuell in vielen Bereichen. Herzstück der SF-Serie ist aber die hakenschlagende Geschichte.
Genau da liegt auch das einzig richtige Problem, denn ein paar der Wendungen wirken so sehr vom Zufall gelenkt, dass die durch die vielfältigen Verhältnisse geschaffene Glaubwürdigkeit an manchen Stellen zu bröckeln beginnt.

Der entscheidende Unterschied zu amerikanischen Science-Fiction-Serien ist übrigens gerade im schmaleren Budget zu suchen. Real Humans sieht gut aus, aber war bescheiden genug, um niemanden in den Ruin zu treiben. So reichen deutlich weniger Zuschauer, um das Werk am Leben zu erhalten.
In Staffel 2, die bald abgedreht ist, geht’s raus aus der schwedischen Heimat, um die Hubot-Verhältnisse im Ausland zu zeigen. Staffel 3 ist von Serien-Vater Lars Lundström gewollt – weitere sehr erwünscht.

Apropos amerikanische Science-Fiction: Das Übersee-Remake ist schon in der Mache.