Das Wunder in der 8. Straße

Da Weihnachten vor der Tür steht und man sich nichts sehnlicher herbeiwünscht als ein wenig Ablenkung von der Gewissheit, längst noch nicht alle Geschenke beisammenzuhaben, versucht sich auch scififilme.net an etwas festlicherem Filmstoff:
Ursprünglich als Serienfolge von Amazing Stories geplant, wurde die Idee hinter Das Wunder in der 8. Straße schlussendlich für einen ganzen Spielfilm genutzt. Produzent Steven Spielberg war es, der das Potenzial hinter dem Gedanken von Regisseur und Drehbuchschreiber Matthew Robbins erkannte und das Projekt unterstützte.


Did we miss the sunset?

Story

Einige Gegenden in New York mussten viel erleiden in der letzten Zeit. Zerfallene und zerfallende Häuser, Bau- und normaler Schutt bestimmen das Bild. Trotzdem mögen die Bewohner der 8. Straße ihr bescheidenes Mietshäuschen.
Bauunternehmer Mr. Lacey kümmert es aber nicht, ob irgendjemand irgendwas mag. Er will die Gegend planieren und das Wohnviertel zu einer funkelnden Hochhauslandschaft umgestalten. Um die widerspenstigen Anwohner zu vergraulen, schickt er Schlägertrupps durch die Nachbarschaft, die harte Argumente und Geld dafür bieten, dass die Wohnungen geräumt werden.
Während die meisten Betroffenen das Angebot annehmen und mit frischen Scheinen in der Tasche das Feld räumen, bleibt eine kleine Gruppe aus sehr unterschiedlichen Menschen hartnäckig und will die Heimat nicht aufgeben. Doch haben entschlossene Senioren nur sehr geringe Chancen gegen Schläger mit Baseballschlägern.
Dann aber tauchen eines Nachts UFOs auf, die die Größe einer Handfläche haben und mit Vorliebe Sachen reparieren. Die zurückhaltenden Mini-Aliens brauchen nichts weiter als eine Energiequelle, die ihnen Strom liefert. Schnell freunden sich die Bewohner mit den Außerirdischen an und wachsen durch den unerwarteten Besuch von Außerhalb immer enger zusammen.

Kritik

Senior Frank, seine senile Lady Faye, der erfolglose Künstler Mason, der schweigsame Ex-Boxchampion Harry und die spanische Einwanderin Lisa kriegen Hilfe von stromsüchtigen Schrumpf-Untertassen mit Reparaturstrahl. Eine wirklich selten dämliche Prämisse, herzallerliebst jedoch umgesetzt.
Matthew Robbins, übrigens ein guter und langjähriger Freund von Steven Spielberg, Guillermo Del Toro und George Lucas (in dessen THX1138 hat er sogar einen kleinen Camo), verweilt nicht zu lange bei den einzelnen Figuren, lässt sich aber gerade am Anfang ausreichend viel Zeit, mit den Persönlichkeiten vertraut zu werden und Verständnis für die Situation zu entwickeln. Die Protagonisten sind intelligent angelegt, sympathisch und haben sämtlich ein großes Kitsch-Potenzial, das aber niemals angezapft wird. Man mag das sture Grüppchen und so mag man auch das Haus, um das sie kämpfen. Und das, obwohl – oder vielleicht auch weil – die jeweiligen Gründe dafür, dem Ort treu zu bleiben, nicht bei jedem ersichtlich und nachvollziehbar sind. Besonders die beiden rüstigen Hauptdarsteller machen ihre Sache gut. Die durch und durch kontrollierte Mimik und die unverblümt ehrliche Darstellung des Alltags im gehobenen Alter überraschen in einem Film aus der Traumfabrik. Sie können zusammen mit der respektvoll dargestellten Demenz von Faye der positiven Botschaft des Filmes zum Trotz aber auch ein wenig deprimieren. Dass die beiden Schauspieler mit einer glaubhaften Selbstverständlichkeit harmonieren, liegt übrigens daran, dass Hume Cronyn und Jessica Tandy auch im echten Leben über ein halbes Jahrhundert verheiratet waren.

Während der junge Künstler rationale Erklärungen sucht, erkennt der Alte die Wahrheit als evident. Raumschiffe von einem Planeten. Einem sehr kleinen Planeten. Durch das vielfältige Personal leistet das ruhige Sci-Fi-Märchen fast schon nebenbei auch Diskursbeiträge zu sehr ernsten Themen. Demenz, vertane Gelegenheiten, alte Menschen, die selbstbestimmt ihren Lebensabend gestalten wollen, so lange sie noch können, Treue und Freundschaft sind die eigentlichen Themen von Das Wunder in der 8. Straße oder *batteries not included, wie der Film im Original heißt und mit diesem Titel in pfiffiger Weise auf den hohen Strombedarf der fliegenden Untertassen anspielt.

Besagte UFOs selbst sind erst einmal beeindruckend, da die Effekte auch Jahrzehnte später immer noch hervorragend sind – und auch zukünftig nicht nennenswert altern werden. Die putzigen Flugobjekte wirken dank ihrer blinzelnden Augen ähnlich menschlich wie die anthropomorphen Kreaturen aus den Welten Pixars – allen voran liegt natürlich der Vergleich mit WALL-E auf der Hand. Das mag sicherlich auch dem Umstand zu verdanken sein, dass Simpsons- und Pixar-Mastermind Brad Birt damals als Co-Writer für diesen Film tätig war. (Obwohl dieser mit WALL-E natürlich direkt nichts am Hut hatte, aber sicher stilprägend gewesen ist.)
Als eigentliche Stars des Filmes beeindrucken die freundlichen Aliens mit durchdachtem Design und vielen überraschenden Funktionen, die sie auf ihre Umwelt reagieren lassen und zu kleinen Gadget-Wundern machen.
Selbstverständlich werden von ihnen nicht nur Haushaltsgegenstände geflickt, sondern letztlich und vor allem die Beziehungen der Bewohner untereinander, das Klima im Viertel und der Glauben an ein gutes Ende.

Wenn die Besucher später an die AT-AT-Kampfläufer aus Star Wars erinnernden Nachwuchs zeugen und beim Burger braten zur Hand gehen, wird’s für manch einen vielleicht etwas zu viel des Guten, aber so ist es nun mal mit Märchen. Der wackelige Holzverschlag auf dem Hochhausdach wird zum Schrein, Strom bedeutet Lebenssaft und ein paar kleine Schrott-UFOs sorgen dafür, dass das Leben wieder lebenswert wird. Die Sonne, die in dieser Welt wie eine riesige Orange aussieht, ist nur folgerichtig.
Dass eingangs geschrieben steht, der Film würde sich am Anfang Zeit lassen, bedeutet nicht, dass er anschließend Beschreibungen wie „temporeich“ verdient. Das Wunder in der 8. Straße ist von vorne bis hinten behäbig. Der eigentliche Plot ist dennoch schnell abgehandelt, dient aber auch nur als Aufhänger, um auf die wichtigen Kleinigkeiten zu sprechen zu kommen. Und das ist gut, denn inmitten der gehetzten, sehr eng gewordenen Welt der industrialisierten Filmschaffung von heute kann es eine Wohltat sein, eine unaufgeregte kleine Geschichte zu verfolgen, wie fast nur das naive 80er-Jahre-Hollywood sie erzählen kann.
Oder um es mit den Worten der Nebenfigur Pamela zu sagen: „This is the ’80s! Nobody likes reality any more.“

Fazit

Ein harmloser, aber rührender Spaß über intergalaktische Heinzelmännchen und große Werte in kleinen Menschen. Sauber inszeniert und mit schönen handgemachten Spezialeffekten ausgestattet.