Repo Men

Ein Regieneuling schnappt sich Oscargewinner Forest Whitaker und den immerhin zweifach nominierten Jude Law, um einen Science-Fiction-Film zu drehen. Die Namen lassen an Filme wie Species, A.I. – Künstliche Intelligenz, eXistenZ und Gattaca denken. Und vielleicht auch an Sky Captain and the World of Tomorrow, hat man diesen Film nicht erfolgreich verdrängt.
Trotz der qualitativen wie thematischen Bandbreite dieser Assoziationskette weiß Repo Men aber noch zu überraschen.

He’s gone to get more meat.

Story

2025 sind Organtransplantate ein riesiger Markt. Lahmt die Lunge, Leber oder Niere, schaut man kurz bei den zuvorkommenden Vertretern von The Union vorbei, führt ein lockeres Verkaufsgespräch und kriegt ein neues Exemplar, Garantie inklusive. Wirklich günstig ist das Ganze zwar nicht und vor allem die Zinssätze machen dem Normalbürger zu schaffen, aber irgendetwas ist ja immer.
Problematisch wird es dann, wenn ein Käufer mit den Raten in Rückstand gerät. Dann wird ein Vertreter geschickt, der sich das Eigentum der Firma auf unglimpfliche Weise zurückholt.
Repo Men werden diese Außendienstler genannt. Remy und Jake sind solche Repo Men und gehören zu den Besten der Besten. Davon abgesehen, dass Remys Ehefrau ihn drängt, einen weniger aufregenden Job zu wählen, läuft alles bestens. Der alltägliche Sprung von eiskaltem Todesengel zum fürsorglichen Familienvater klappt problemlos.
Bis Remy nach dem Kontakt mit einem defekten Defibrillator eines Tages im Krankenhaus aufwacht und feststellen muss, dass er nun selbst ein künstliches Organ seiner Firma im Körper hat.
Von der Familie verlassen und erschüttert in seinen Überzeugungen, gerät er in eine tiefe Sinnkrise, die dazu führt, dass die Raten nicht bezahlen kann.

Kritik

Dem Futurismus der Welt von Morgen sieht man zwar an, dass das Budget ruhig noch eine Schippe mehr Finanzen vertragen hätte, trotzdem ist die Welt insgesamt sehr stimmig. Atmosphärischer Lichtwurf, technische Details und interessante Überlegungen schaffen eine dichte und ungemütliche Atmosphäre. Auch die grundsätzlich gelungen Figuren tragen mit ihren fragwürdigen Moralvorstellungen und Handlungen dazu bei.
Leider sind sie es auch die Figuren, genaugenommen deren Entwicklung, woran es dann in erster Instanz ein wenig hapert.
Die Gestalt des Remy, der kaltblütiger Organeintreiber und warmherziger Ehemann und Vater zugleich sein muss, ist spannend angelegt und mit Jude Law strategisch durchdacht besetzt. Dass dieser Konflikt mehr gezeigt als ausformuliert wird, ist darüber hinaus eine ausgezeichnete Entscheidung. So wirksam der Status quo der Figur sich aber darstellt, so wenig nachvollziehbar gestalten sich Remys Veränderungen. Dass er ein unsympathischer Zeitgenosse ist, mit dem sich zu identifizieren kaum möglich ist, ist eine Sache, die durchaus beabsichtigt sein mag. Dass seine Handlungen einer kaum zu erahnenden Logik folgen, wird wohl weniger der Wille der beiden Drehbuchschreiber gewesen sein, was dazu führt, dass die grundsätzlich sehr möglichkeitsoffene und tragische Figur ein wenig anstrengend und ärgerlich wird, weil der Zuschauer sich einfach nicht auf sie verlassen kann. Sie tut, was sie tut, damit die Geschichte vorangeht. Nicht aber handelt sie aus eigenen, natürlichen Motivationen heraus. Vor allem der obligatorische Gesinnungsumschwung des Repo Man mag auf dem Papier gerade so funktionieren, wirkt direkt an Charakter und Schauspieler gekoppelt, aber unverständlich. Und das, obwohl der Prozess ausführlich über Off-Texte erläutert wird.
Der guten Ausgangslage nicht gerecht werden kann man auch bei einem weiteren flexiblen Element des Filmes nicht. So sorgsam der Anfang und der Startpunkt der Charaktere ausgeleuchtet sind, so vorhersehbar verhält sich das Weitere. Repo Men ist durchaus spannend, immer nett anzusehen und langweilt nicht, das sei festgehalten. Aber die Geschichte um den Organjäger, der geläutert wird, indem er selbst zum Gejagten wird und unterwegs seine große Liebe findet, ist faules Malen nach Zahlen im Lehrbuch für schematische Charaktergrundlagen.

In der düsteren Welt von Repo Men ist man nicht sehr sauber, aber akkurat. Akkuratesse kann in diesem Zusammenhang auch mal bedeuten, dass jemandem mit einer Schreibmaschine der Kopf zerdellt wird. Wie man an den künstlichen Organen und Körperteilen rumfingert, sie nach Herzenslust rein- und rausoperiert und dabei nach Laune Körper öffnet, grenzt an Splatter und ist nichts für schwache Mägen. Kein Vergleich zu Laws Auftritt im modernen Sci-Fi-Klassiker Gattaca, der im gegen das hier geradezu steril und prüde wirkt. An diesem Punkt wird auch noch einmal die Doppelmoral des Charakters in der Handlung und der Charakterentwicklung des Drehbuchsdeutlich. Zwar wechselt Remy die Seiten, doch seine Methoden bleiben die gleichen. Nur dass jetzt eben die Menschenleben des gegenüberliegenden Ufers ihr Existenzrecht in seinen Augen verwirkt haben. Menschen, wie er selbst vor ein paar Tagen noch einer war. Die, die ihm in Ausführung ihrer Arbeit – und wenn es nur Polizisten sind – im Weg stehen, werden nicht nur gewissenlos niedergemäht, sondern regelrecht hingerichtet. Der Kampf gegen die eigenen Arbeitskollegen zum Ende hin schlägt mit seiner menschenverachtenden Ästhetik dann eindeutig dem Fass den Boden aus und hat außerdem mit dem bisherigen Grundton des Filmes überhaupt nichts mehr gemein.
Ein Mann, dessen Motive irrational erscheinen, der nach der Trennung von seiner Gattin die nächstbeste Frau an seine Seite zerrt und blindlinks Freund wie Feind mordet, kann nur schwerlich als tauglicher Filmprotagonist herhalten. Hauptfiguren müssen natürlich nicht immer sympathisch und können sogar gerne, wenn es denn richtig angegangen wird, hassenswerte Unholde sein. Doch muss man sich fratgen, ob dies bei Repo Men in der vorliegenden Form beabsichtigt war. Das verleiht dem Film besonders in der zweiten Hälfte einen sehr unbequemen Beigeschmack. Sollte dies Plan von Regisseur und Drehbuchautor gewesen sein, darf man aber verhalten gratulieren. Denn die Botschaft des Filmes wäre dann eine ganz andere, in Anbetracht der mauen Grundgeschichte vielleicht sogar deutlich erzählenswertere. Einen ähnlich vor den Kopf stoßenden Zwist gab es schon mal bei Equilibrium.
Wenn man so möchte, wird das Ganze durch einen Dreh am Ende vollkommen relativiert, ohne an dieser Stelle zu viel verraten zu wollen. Ob – und wenn ja, in welchem Maße – das die Botschaft beeinflusst, mag jeder für sich selbst entscheiden. Vielleicht ist aber auch gerade das die Stärke von Repo Men: Dass er es dem Zuschauer nicht leicht macht und erst recht nicht abnimmt, sich selbst für eine Seite zu entscheiden und moralische Fragen für sich tatsächlich beantworten zu müssen. So gesehen ist dieses Werk nicht unbedingt besser, tatsächlich aber in mancher Hinsicht wertvoller als die meisten anderen Filme.
Die Handvoll Kampfeinlagen wird demgemäß ausgiebig gezeigt. Dank dem dynamischen Schnitt sind diese auch nett anzusehen und aufgrund ihrer intensiven Körperlichkeit keineswegs unspannend.

Dass das Szenario so unglaubwürdig ist wie bösartig ist, darüber muss hinweggesehen werden. Angesichts der souveränen Inszenierung und dem guten Score ist das auch keine unlösbare Aufgabe. Nimmt man hin, dass der Protagonist ein ziemlicher Schuft ist, und sieht man über grobe Schnitzer in der Charakterentwicklung hinweg, bleibt dem altbekannten Grundplot zum Trotz ein sauber gedrehter, sehr atmosphärischer Sci-Fi-Thriller mit viel Abwechslung und einem wirklich dreckigen Jude Law.

Fazit

Ein seltsamer Mischling ist Repo Men. Ganz ohne Vorwissen würde man nicht erahnen, dass der Sci-Fi-Film mit Jude Law eine knallharte, an vielen Strecken unangenehm brutal bebilderte Geschichte ohne wirkliche Identifikationsfigur ist.
Schwächen in eigentlich essenziellen Punkten werten den Film ab, die gekonnte Inszenierung und die unangenehme Stimmung machen ihn dennoch zu einem immerhin nicht uninteressanten und grundsätzlich auch sehenswerten Genrebeitrag.

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