Space Pirate Captain Harlock

Seit 1977 macht der rebellische Weltraumpirat Harlock nun schon das All unsicher, bekam nach seiner Manga-Reihe Anime-Serie und Filme spendiert und ist bis heute eine lebendige Größe in der japanischen Popkultur. Der neuste Ableger ist ein 30 Million teurer Animationsfilm aus der Toei Animation-Schmiede.
Der verpflichtete Regisseur Shinji Aramaki ist vor allem bekannt für seine Appleseed-Filme und legte vor Space Pirate Captain Harlock (so der Name im Englischen) Hand an Starship Troopers: Invasion.

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Story

Die Menschheit expandiert ins weite All und explodiert in ihrer Anzahl. Doch auch auf neuem Terrain regieren alte Probleme: Ressourcen werden knapp, alles geht den Bach runter und man besinnt sich des Heimatsplaneten. Die Erde sieht sich plötzlich konfrontiert mit einem enormen Zuwandererstrom, woraufhin eine gewaltige Schlacht um den Blauen Planeten entbrennt.
Harlock, der namensgebende und außerdem unsterbliche Weltraumpirat, schert sich nicht um den Blick über die Schulter zurück und macht mit seinem gefürchteten Raumschiff Arcadia, das so unzerstörbar wie er selbst zu sein scheint, den Weltraum unsicher, indem er Schiffe der herrschenden Gaia Sanction überfällt.
Der junge Yama heuert auf dem Kahn an und tut sich rasch durch seine hervorragenden Qualitäten als Bordschütze hervor. In Wirklichkeit schleuste er sich im Auftrag des obersten Kommandeurs der Gaia Sanction ein, um Harlock das Handwerk zu legen und seinen geheimen Plan zu vereiteln.

Kritik

Legt man den Kopf ein wenig schief und vergisst man darüber hinaus, dass man einen Film schaut, so sieht Space Pirate Captain Harlock aus, wie eine der besseren Zwischensequenzen eines der besseren Videospiele. Das liegt zum einen daran, dass Zwischensequenzen moderner Videospiele teilweise zum Niederknien gut aussehen, und zum anderen an der etwas zu geringeren Auflösung sowie den fehlenden Details; erinnert man sich an den Reichtum der Gesichter in Final Fantasy VII: Advent Children, fällt trotz des für einen Animationsfilm gehobenen Alters des Square-Enix-Streifens auf, dass der Weltraumpirat ein paar Schritte zurückliegt. Das ist aber bei Weitem nichts, was den Sehgenuss stört, denn tatsächlich ist die Optik das Meisterstück des Filmes. Das Artdesign ist so speziell wie rund, besonders die Liebe zum Detail sticht hervor. Seien es die merkwürdigen Rüstungen von Harlocks Mannschaft – irgendwo zwischen Ritter, Taucher und Roboter –, sei es die verkörperte Häme in Vogelform auf der Schulter des Kapitäns oder die Architektur der Arcadia selbst, die sowieso der geheime Star des Filmes ist. Die rasante Inszenierung, einnehmende Kamerafahrten und gekonnte Spielerei mit Perspektiven tragen den Rest dazu bei, dass Space Pirate Captain Harlock ein ziemlicher Augenschmaus ist.

Wie es in der Harlock-Geschichte Tradition ist, legt man großen Wert darauf, Piratenmotiven eine weltraumtaugliche Transformation zu bieten. Es ist beeindruckend, wenn der Kapitän verwegen das Steuerrad kurbelt und auf Kollisionskurs lenkt, wenn der dicke Pott dann mit seinem protzigen Totenkopf am Bug, der zugleich als Ramme dient, sich in ein feindliches Schiff gräbt und das Entern der blutdurstigen Crew beginnt. Auch auf moralischer Ebene wird das Piratendasein am Anfang noch mit Konsequenz gewürdigt. So feuert die Mannschaft rücksichtslos auf Unschuldige und tötet, ohne einen Gedanken an sie zu verschwenden, Hunderte in wenigen Minuten, um ihr Ziel zu erreichen. Der Film folgt keinen Helden, sondern einer Gruppe von Mördern, die das Gemetzel lieben und siegreich sind, weil sie einfach das bessere Kriegswerkzeug und die größere Dreistigkeit besitzen. Die Geschichte hat ansprechende Wendungen zu bieten und die – allem voran moralische – Ambivalenz Harlocks wird lange Zeit aufrechterhalten. Welche der beiden Seiten im Recht ist, oder ob beide sich irren, dafür liefert der Film geschickt mal die eine, mal die andere Antwort, sodass der Zuschauer genau wie Yama schnell in eine Haltung der Unsicherheit kommt.
Was sich selbst als interessantes Erzählprojekt mit Möglichkeit auf eine Kontroverse und ein draufgängerisches und bitterböses Piratenmärchen im Weltraum ankündigt, entwickelt sich mit fortschreitender Laufzeit immer mehr zu einer klassischen Action-Abenteuer-Episode.

Außerhalb der Arcadia verliert Space Pirate Captain Harlock ordentich an Schwung und auch an fühlbarer Inspiration. Die alleinig den Antagonisten gewidmeten Szenen fallen im Vergleich holprig und keineswegs frei von Klischees aus, allerdings handelt es sich hierbei auch nur um wenige Minuten. Ein Großteil des Films spielt an Bord des geheimnisvollen Schiffes – und das ist gut so. Zwar verspricht auch das Universum mit seinen unzähligen brachliegenden Planeten spannende Erfahrungen, doch ist das geheimnisvolle Piratenschiff mit seinem noch geheimnisvolleren Kapitän zweifelsfrei das interessanteste Objekt in eben diesem. Zusammen mit dem jungen Rekruten erkundet der Zuschauer das Gefährt, kommt seinen Bewohnern n näher und macht sich langsam einen Reim auf die Geschehnisse. Das funktioniert anfangs anstandslos gut, ist stets spannend und vor allem bestens in Szene gesetzt. Wie erwähnt, verlieren die Charaktere dadurch aber an Schneid. Aus den Raubeinen werden semi-sympathische Stereotype, die es eigentlich nur gut meinen und die interessanten Fragen werden schon früh mit denkbar uninteressanten Antworten bedacht.
Immer öfter stellt sich Leerlauf zwischen den Kämpfen ein und leider steigt exponentiell zur sinkenden Spannung der Pathos an. Dialoge werden lahm, Harlocks Mantel wird ein paar man zu häufig geräuschvoll zur Seite geworfen und manchmal ist die Musik derart huldigend und kitschig, dass die Finger wie von selbst an die Regler wandern.

Fazit

In seinen temporeichen Momenten ist Space Pirate Captain Harlock wunderbar anzusehen und absolut unterhaltsam. Je länger der Film dauert, desto verbrauchter wirken die Figuren und das Setting. Alles, was interessant und vielversprechend wirkte, schält sich nach gut 20 Minuten aus seiner Hülle und ist plötzlich doch nur arg gewöhnlich. Der ebenfalls über die Laufzeit erstarkende Pathos ist nie so fatal und lachhaft, wie in Space Battleship Yamato, strapaziert aber doch die Nerven.
Was bleibt, ist ansehnliche Action, ein cooler Antiheld und die verstörende Ahnung, dass dieser Film in 3D womöglich besser gewesen werde.