Autómata

Androiden haben sich in den letzten Jahren durch bewusst minderwertige Produktionen mehr als nur ein paar Kratzer im Lack zugezogen. Über Antonio Banderas mögen böse Zungen selbiges behaupten. Mit Autómata bringt der Spanier Gabe Ibáñez sie in seinem zweiten Film zusammen.

Maybe the ocean is still there.

Story

2044 haben nicht die Menschen, sondern Sonnenstürme die Welt fast gänzlich unbewohnbar gemacht. Nach einer Reduktion um 99,7 % der Gesamtbevölkerung hausen auf dem ehemals florierenden Planeten nur noch 21 Million wackere Erdlinge, die darüber hinaus wichtige Technik wie z.B. für Kommunikation nicht nutzen können. Auch hier: Die Sonnenstürme sind Schuld. Roboter sind davon aber nicht betroffen und so konstruiert man Scharen von Androiden, die als billige Arbeitskräfte Schutzwälle für ihre Herrscher errichten sollen. Millionen von Robotern werden durch zwei Protokolle in Schach gehalten, die ihnen verbieten Menschen zu verletzen und sich zu modifizieren.
Jacq Vaucan ist Versicherungsvertreter der Firma, die diese Roboter fabriziert, und Mann einer hochschwangrene Frau. Jacq legt alles daran, zusammen mit seiner entstehenden Familie aus dem urbanen Moloch an die angeblich freundlichere Küste versetzt zu werden.
Der Auftrag, den er für die Verlegung absolvieren soll, hat jedoch einen besorgniserregenden Rattenschwanz, denn alles deutet darauf hin, dass das Unmögliche verbrochen wurde und plötzlich Roboter existieren, die sich selbst modifizieren.

Kritik

Zu Beginn brilliert eine Schwarzweiß-Montage mit einer unverbrauchten Klang- und Bild-Komposition, die auf die an sich schon sehr guten dargestellten Ideen noch einmal optimiert. Es gelingt auf bewundernswerte Weise, Ehrfurcht und Zynismus auf eine ebenbürtige, sich nicht selbst verschlingende Weise auf einem Punkt zu fixieren. Eine bessere Einführung könnte es eigentlich kaum geben, denn Gabe Ibáñez hat eine Vergangenheit als Effektspezialist und weiß dies erfreulicherweise sehr positiv in seinen eigenen Filmen zur Geltung kommen zu lassen.

Die Handlung startet vor einer unverkennbar an Blade Runner angelehnten Stadtkulisse, wo sich das Fortschreiten der Zeit überwiegend auf die Beschleunigung von Elend, die Reduzierung von Mitleid und die Zunahme von Werbung ausgewirkt hat. Die Zukunft ist Dreck mit LEDs und arm an guten Aussichten. Nicht von ungefähr erinnert Autómata ebenfalls sehr an den sträflich unterschätzten Ghost in the Shell 2 – Innocence, sind doch beide sehr gelungene Blade Runner-Jünger, die die Kunst beherrschen, sich verbeugen zu können, ohne sich zugleich lächerlich zu machen.
Denn auch, wenn Autómata sich seine Diegese optisch aus allen erdenklichen Klassikern zusammengeliehen hat, sieht man ihr doch an, dass die Verbindung der Fragmente mit Überzeugung und Leidenschaft vonstattengegangen ist. Eine angenehm inspiriert wirkende Kamera bewegt gekonnt sich durch die Gänge und sorgt mehr als nur einmal durch ihren bewussten, einfallsreichen, aber keineswegs aufdringlichen Einsatz für überraschende Momente. Automata imponiert mit wundervollen Aufnahmen und stimmigen Set-Ideen. Ein durchdachtes Sounddesign, ein ebenso guter Score zu gekonntem Lichteinsatz sorgen auch und vor allem für eine gehörige Dosis an Stimmung. Trotz eines Budgets von 15 Million Dollar, von dem auch noch die Gagen der relativ großen Namen wie Robert Forster (Alligator), Melanie Griffith, Dylan McDermott und Produzent Antonio Banderas selbst abgezogen werden mussten, sieht die bulgarische Produktion gar nicht so günstig aus und überzeugt mit einem Stil mit Widererkennungswert. Diese handwerkliche Versiertheit kaschiert ohne viel Aufhebens zu machen einige Dinge, die nicht so gut gelungen sind. So sind die Dialoge nicht immer frei von Überflüssigem, wirken aber trotzdem in sich stimmig und natürlich, was ja durchaus keine Selbstverständlichkeit darstellt. Ein paar pseudo-tiefsinnige Pathosfloskeln, die so in normalen Dialogen nie vorkämen oder vorkommen sollten, haben sich zum Beispiel eingeschlichen, doch macht dies erstaunlich wenig aus, weil die Güte der Inszenierung es schlichtweg überspült.
Auch offene Fragen und Ungereimtheiten lassen sich natürlich finden und einige fallen gar nicht so marginal aus (ob Jacq wirklich Wein mit seiner hochschwangeren Frau trinkt, gehört zu den weniger drängenderen), und doch lässt es sich auch hier einfach nicht von der Hand weisen, dass die Leidenschaft aller Beteiligten dies durch ein handwirklich sehr gutes Ergebnis fast schon gänzlich irrelevant macht. Der Film ist einfach zu voll mit kleinen, nahtlos eingefügten Höhepunkten, wie zum Beispiel eine Verfolgungsjagd in der nächtlichen Wüste, die kurz, dafür aber umso eindrucksvoller ausfällt.

Ganz besonders explizit wird diese Stärke bei den Robotercharakteren, die kunstvoll geheimnisvoll gelassen werden und lange Zeit ein Potenzial erahnen lassen, das von philanthropischer Gutmütigkeit bis zu hinterhältiger Verschlagenheit jeden Punkt auf der Skala des Zueinander-Stehens besetzen zu können. Zugleich tragen sie mimikarmen Blechkameraden dies nie zu offen zur Schau und wirken auf eine berührende Weise zerbrechlich, zärtlich und melancholisch.

Der endgültige Ausschlag im letzten Drittel fehlt, es kommt nicht wie erwartet größer und größer, sondern bleibt im Sinnbildlichen, ohne damit an dieser Stelle zu viel zu verraten. Es macht den Film zugleich auch auf eine Weise rund, sich nicht permanent steigern zu wollen, sondern sein Ende im Bescheidenen, aber Ausreichenden zu finden. Im Gegenteil hätte es der Geschichte wohl getan, wenn man auch auf ein weiteres Ereignis am Ende verzichtet hätte, das zu offensichtlich keinen anderen Nutzen hat, als sie genrebedingten Erwartungen an ein spannungsgelandenes Finale, in dem möglichst viel auf dem Spiel steht, zu bedienen.
Unterm Strich bietet das Drehbuch von Autómata einige Stolperfallen und Untiefen, in denen gerne auch der abgeschmackte Kitsch brodelt, doch klemmt die Regie die prekären Stellen jedes Mal in gekonnter Weise ab, bevor sie ernstlich zur Gefahr werden, sodass es der Handlung nie droht, nicht ernstgenommen zu werden.

Natürlich erfindet der Spanier mit seinem zweiten Film das Rad nicht neu und beackert ein Feld, das schon über zahllose Jahre hinweg Früchte getragen hat. Natürlich hätte es einige Elemente wie den abgehalfterten und klischeetriefenden Cop Wallace nicht gebraucht. All das wird gesehen und all das hat zahlreiche Kritiker zu bewogen, Autómata mit bissiger Häme abzustrafen. Für jeden schalen Punkt lassen sich aber zwei überraschend gut funktionierende auf der Habenseite finden. Und manche von ihnen besitzen genug Strahlkraft, um die Negativpunkte beinahe ganz vergessen zu machen.

Fazit

Autómata hätte sich zwischen Schönheit, Innovativitätsanspruch und Laienphilosophie schnell aufs Fürchterlichste verzetteln können, doch ist die Regie einfach zu gut, um den Film jämmerlich gegen jede der sich anbietenden Gefahren zu steuern. Stattdessen belohnen ein perfektes Tempo und eindrucksvolle Aufnahmen, die so düster wie durchdacht sind, und nicht zuletzt ein Antonio Banderas, dem an seiner Rolle wirklich was zu liegen scheint, die Zuschauer dieses kleinen Noir-Thrillers im Dysthopiegewand.

Memories

Anno 1982: Katsuhiro Otomo veröffentlichte im Alter von 28 Jahren mit Akira sein Magnum Opus. Der Manga wurde schnell zum Meilenstein der japanischen Kultur und machte das Medium quasi über Nacht auf dem ganzen Globus bekannt. 1988, zwei Jahre bevor Akira in Heftform sein Ende finden sollte, schrumpfte Otomo die Geschichte auf Drehbuchgröße, übernahm die Regie seiner Adaption und sorgte dafür, dass auch Animes der westlichen Welt ein Begriff wurden. Von kleineren Arbeiten und dem Live-Action Film World Apartment Horror abgesehen, wurde es verdächtig still um Japans bedeutendsten Zeichenkünstler.
Im Jahre 1995 versammelt er das Who is Who der japanischen Animationselite um sich, um den Film Memories zu verwirklichen, der auf drei Kurzgeschichten aus seiner Feder basiert.

Story

Der Film, der streng genommen drei voneinander vollkommen unabhängige SciFi-Filme ist, startet mit Magnetic Rose. Die Handlung dreht sich um die Crew eines maroden Weltraumfrachters, die widerwillig einem Notruf folgt, der sie aus einer gefährlichen Region des Alls erreicht. Inmitten eines weitläufigen Raumschifffriedhofs entdecken sie eine gewaltige und augenscheinlich völlig intakte Raumstation, die die Quelle des Signals zu sein scheint. Während der rüstige Pilot an Bord bleibt, um die Mission zu koordinieren, begeben sich Heintz und Miguel in das Innere der ehrfurchtgebietenden Station, um dem Hilferuf auf den Grund zu gehen.
Dort jedoch finden sie sich plötzlich in einer Welt wieder, die an das Europa des 18. Jahrhunderts erinnert. Als die beiden verwunderten Astronauten sich auf ihrer Erkundungstour trennen, entpuppt sich der Auftrag als Venusfalle.

Der Plot der anderen beiden Filme kann auf deutlich weniger Raum dargestellt werden. In Stink Bomb schluckt der an Grippe erkrankte Laborant eines Pharmakonzern unbeabsichtigt die falschen Pillen. Fortan umgibt ihn eine ständig wachsende Wolke aus Gestank, die jedem in der Nähe den Garaus macht. Der leicht begriffsstutzige Protagonist kann sich jedoch nicht als Auslöser des Massensterbens erkennen und beginnt eine Reise in die Nachbarstadt, während das Militär verzweifelt immer schwerere Geschütze auffährt, um den miefenden Todesengel auszuschalten.

Wenig überraschend spielt schweres Geschütz auch in Cannon Fodder eine Rolle. Hier wird aber weniger eine Geschichte erzählt. Der 20-minütige Abschluss von Memories portraitiert mit viel Gemach und Liebe fürs Detail den Alltag einer Stadt, in der jeder Bürger einzig dafür existiert, die turmhohen Kanonen in Betrieb zu halten, die ohne Unterlass in den Himmel auf einen unbekannten Feind feuern. Während die Eltern in Waffenfabriken und Munitionslagern bis zur Erschöpfung schuften, träumen die Kinder davon, eines Tages selbst den Feuerknopf betätigen zu dürfen.

Kritik

Eröffnungsfilm Magnetic Rose ist nicht nur die klassischste Erzählung, sie ist zum Glück auch die längste. Auf dem Regiestuhl saß Kōji Morimoto, der später vor allem durch seinen Beitrag zu The Animatrix bekannt wurde, aber auch eine Episode zur kunterbunten Kurzfilmmischung Genius Party Beyond beisteuerte. Weitere beteiligte Künstler waren Satoshi Kon (Paprika, Perfect Blue) und Komponisten Yoko Kanno (u.a. The Vision of Escaflowne, Cowboy Bebop, Jin-Roh, Ghost in the Shell: Stand Alone Complex). Letztgenannte verdient ganz besonders die Nennung, da der orchestrale Soundtrack zusammen mit den beeindruckenden Bildern einen unglaublich atmosphärischen Sog schafft, dem man sich auch bei abermaliger Sichtung von Magnetic Rose unmöglich verweigern kann. Überhaupt schuf das prominente Team einen handwerklich perfekten Film, der durch detailverliebte Bilder, geschmeidige Bewegungen und erstklassige Lichtstimmung besticht. Nachdem die spleenige Crew, die knapp aber sehr gekonnt vorgestellt wird und zudem wohlige Erinnerungen an den Trupp aus Cowboy Bebop heraufbeschwört, in den Rumpf der riesigen Station gelangt ist, eröffnet sich eine Welt, die gleichsam betörend wie mysteriös ist. Magnetic Rose ist in jeder Sekunde ein Genuss. Die Geschichte hinter dem Abenteuer mag nicht preiswürdig originell sein, wird aber genau im richtigen Takt erzählt und dosiert Action, Drama und spannungsgeladenen Stillstand mit Bravour. Satte 8,5 Punkte für dieses Kleinod.

Leider geht es nach dem fulminanten Auftakt eher durchwachsend weiter. Regisseur Tensai Okamura(involviert in u.a. Neon Genesis Evangelion , Cowboy Bebop , Full Metal Panic!, Samurai Champloo , Soul Eater) erschuf mit Stink Bomb einen infantilen Hürdenlauf, der wild, laut und schnell ist, dabei aber trotzdem schleppend, unmotiviert und bemüht wirkt. Der tumbe Hauptdarsteller, der ohne Absicht und Erkenntnis unzähligen Leuten mit seinen Ausdünstungen das Leben nimmt, ist zwar durchaus zu bemitleiden, bietet aber kaum Identifikationspotential. Letztlich ist Stink Bomb ein eher eintöniges Roadmovie auf Speed, das gerne ein abgedrehtes Spektakel wäre und zum Staunen einladen will, aber nie über die flache Kernidee hinauskommt. Das Bemühen von Militär und Regierung, die Angelegenheit zu stoppen, verwirklicht sich in immer mehr Raketen, die auf die radelnde Hauptfigur zurasen. Dass er all den Angriffen nur durch Glück und Zufall entkommt, veranlasst das erste Mal noch zum Schmunzeln, taugt aber spätestens beim dritten Mal nur noch für ein müdes Zucken der Mundwinkel. Ein kreativer Spielplatz, der unverständlicher Weise gänzlich ungenutzt bleibt. Die Animationen können sich durchaus sehen lassen, der Rest versinkt in Bedeutungslosigkeit. Daher stehen 4 Punkte am Ende.

Schlussstück Cannon Fodder wurde schließlich von Schirmherr Katsuhiro Otomo höchstselbst kreiert und  kommt merklich ambitioniert daher. Als erstes fällt die Art der Zeichnungen auf, die sich deutlich von der Darstellung der anderen beiden Geschichten abhebt. Die Charaktere wirken mit ihren absurden Proportionen und ihrer Art, sich zu bewegen, deutlich wirklichkeitsfremder als das Bisherige. Die Stadt, der eigentliche Hauptdarsteller dieser Episode, überzeugt mit einer Vielzahl von Details – in jeder Ecke ist Bewegung, überall drehen sich Zahnräder, vibrieren Hebel oder zuckeln Fließänder. Alles in allem wirkt Cannon Fodder optisch wie inhaltlich sehr europäisch und teilt sich so manches Merkmal mit dem klassischen französischen Animationsfilm.
Die akribische Beobachtung dieses bis ins Absurde gesteigerten Kriegsapparates ist nicht ohne Reiz und wartet auch mit der einen oder anderen netten Idee auf. Insbesondere die verklärten Träume des pummeligen Jungen, der daheim wie in der Schule darauf vorbereitet wird, ein weiteres funktionierendes Rädchen im System zu werden, haben mit ihrer unschuldigen Kriegsverherrlichung viele bedrückende Momente parat. Bedauerlicherweise vermag das doch recht einfache Konzept nicht über die knapp 20 Minuten zu tragen und auch die aufdringliche Symbolik und die platten Analogien zum Dritten Reich, die einem die so ehrenwerte wie simple Botschaft förmlich ins Gesicht kreischen, führen dazu, dass sich im Verlaufe des Filmes doch eine gewisse Gleichgültigkeit beim Zuschauer einstellt und der Blick mehr als nur einmal Richtung Uhr gelenkt wird. Eine kleine zweckmäßige Geschichte hätte an dieser Stelle vielleicht Wunder gewirkt. So kommt der Abschluss der Trilogie auf 5 Punkte.

Fazit

„Viele Köche verderben den Brei“ gilt leider auch bei Memories. Die Filmreihe beginnt fantastisch und stürzt nach einer Dreiviertelstunde in die Mittelmäßigkeit. Nichtsdestotrotz lohnt sich die Anschaffung schon allein schon für den brillanten Magnetic Rose.
Schade ist es dennoch, wenn man bedenkt, was die Konzentration derartig kreativen Potentials, wie sie bei diesem Team vorlag, theoretisch hätte bewirken können.
Das dachte sich wohl auch Mastermind Katsuhiro Otomo, der sich nach fast 10 Jahren Pause erst im Jahre 2004 zurückmeldete. War Akira einst der teuerste Anime aller Zeiten, ging dieser Titel nun an sein neues Epos Steamboy, mit dem Otomo nicht qualitativ, wohl aber finanziell wieder an die Erfolge vergangener Tage anknüpfen konnte.

Avalon – Spiel um dein Leben

Eine wirklich seltsame Welt ist es, in der Avalon spielt. Es scheint den Menschen nicht sonderlich gutzugehen. Ob die Armut in dieser nur vage definierten Zukunft auf der ganzen Welt mit gleicher Heftigkeit regiert wie in dem Gebiet, das der Zuschauer zu Gesicht bekommt, bleibt ebenso im Verborgenen wie der Grund für ihre Dominanz. Wir sehen Menschen lethargisch an Bahngleisen stehen, gierig das pampige Essen runter schlingen, in Räumen, die an Suppenküchen erinnern. Überall hängen Plakate an den schäbigen Backsteinmauern der namenlosen Stadt, „Stoppt Avalon“ verkünden sie.

Story:

Ash lebt in dieser Welt. Mit dem geräumigen Wohnraum, der ihr zur Verfügung steht, gehört sie vermutlich schon zur Oberschicht. Auf jeden Fall besitzt sie mit Zigaretten und Schnaps rare Güter und hat dennoch ausreichend Mittel zur Verfügung, einen Hund zu halten und diesen mit frischerem Essen zu versorgen, als sie sich selbst gönnt und der Durchschnittsmensch sich leisten könnte.
Ihr relativer Wohlstand rührt nicht von ungefähr. Avalon ist ein verbotenes Spiel und Ash ist die wohl erfolgreichste Spielerin.
Ein Online-Spiel um genau zu sein, MMORPG. Und dieser Streifen von 2001 hat diesbezüglich einen erstaunlich prophetischen Blick in die Zukunft geworfen.
Anders als der Name vermuten lässt, werden die Teilnehmer dieses Spieles nicht in ein mittelalterliches Szenario geworfen, wo sie in schlecht sitzenden Ritterkostümen die Klingen kreuzen. Vielmehr dient eine zerbombte Industrielandschaft als Schlachtfeld, wo sich die Spieler mit zeitgenössischem Kriegswerkzeug gegenseitig zu Leibe rücken. In Avalon befehligt man nicht eine Figur via Anweisungsinventar, sondern befindet sich selbst mit vollem Körpergefühl am Schauplatz, bis man siegt oder von einem Gegner ausgeknockt und in Folge aus dem Spiel befördert wird. Damit der Zuschauer den virtuellen Kampfplatz vom Offline-Geschehen unterscheiden kann, hat man ersichtlich Mühe mit dem Design der Spielwelt gegeben. Explosionen sind aufeinanderliegende zweidimensionale Schichten, die Personen stecken in schnittigen Steampunk-Rüstungen und Getroffene zersplittern unblutig in ihre Einzelteile. Es wird viel Wert auf taktisches Zusammenspiel gelegt und die Teams setzen sich aus altbekannten Klassen zusammen: Krieger, Bischöfe, Diebe, Zauberer.
Avalon ist jedoch nicht nur wegen des brutalen Spielprinzips verboten. Während sich die Aufstrebenden Mammon und Prestige verdienen, nehmen andere für den virtuellen Erfolg die reale Selbstaufgabe in Kauf – Avalon hat den Status einer Volksdroge inne. Zudem scheinen immer mehr Spieler Opfer eines plötzlichen Hirntods zu werden. Es sind die sogenannten Verschollenen.
Auch ein ehemaliges Teammitglied der Protagonistin vegetiert geifernd in einem Krankenhausbett vor sich hin. Während sie den Grund dafür herauszufinden versucht, wird ein unbekannter Mann zum ernsthaften Rivalen für die zuvor außer Konkurrenz spielende Spitzenkandidatin. Im Zuge ihrer Recherchearbeiten trifft Ash auf ihn im richtigen Leben und erhält immer wieder entscheidende Hinweise von einem alten Freund. Bei all dem verliert sie aber nie ihr eigentliches Ziel aus den Augen: Das Erreichen der sagenumwitterten Ebene „Special A“, quasi das finale Level.

Kritik:

Für sein Alter und das vergleichsweise begrenzte Budget sind die künstlichen Welten durchaus noch ansehnlich. Die ein oder andere optische Grobschlächtigkeit sticht zwar ins Auge, doch wird recht geschickt die Glaubwürdigkeit aufrechterhalten – Menschen haben volle Bewegungsfreiheit in einer Welt die ihren grundsätzlich synthetischen Charakter nicht verbergen kann. Das ein oder andere Detail wirkt aus heutiger Sicht natürlich antiquiert, doch das ist wohl das zwangsläufige Schicksal eines jeden Filmes, der es sich zur Aufgabe macht, die Entwicklung bereits bestehender Techniken weiterzuspinnen. Es hat aber auch seinen Reiz, z.B. die (auch zum Produktionszeitpunkt schon) alles andere als zeitgemäße Bedienoberfläche der Computer und die beinahe perfekten Kunstwelt als Einheit zu erleben. Dieses beinahe widernatürlich anmutende Aufeinandertreffen zweier Technikgenerationen versprüht schließlich seit jeher einen merkwürdigen Charme und führt dazu, dass die Diegese nicht allzu geleckt daherkommt.
Auch der extreme Farbfilter, der sich als Sepia-Schleier über das Geschehen legt und in manchen Szenen fast an Schwarzweiß grenzt, trägt zur rauen Gesamtoptik bei. Überhaupt setzt Avalon in erster Linie auf Atmosphäre und degradiert die kriegerischen Konflikte fast schon zur Randnotiz.
Dies ist das entscheidende Spezifikum Avalons. Es herrschen lange Einstellungen vor, die uns triste aber auch ästhetische Bilder bringen. Untermalt werden sie von sphärischen Klängen, hin und wieder aber auch bombastischen Operngesängen, die – natürlich – von der Insel Avalon und den Abenteuern der Tafelrunde erzählen. Selbst über Scharmützeln liegt ein wogender Klangteppich aus ruhiger Musik, der dem Schlachtengetümmel eine fast schon meditative Grundstimmung verleiht.
Bezeichnenderweise offenbart Avalaon immer dann inszenatorische Schwächen, wenn von diesem Konzept abgewichen und die Action in den Vordergrund gerückt wird.

Mamoru Oshii ist der Mastermind hinter diesem Projekt – es ist sein erster Film, der ohne gezeichnete Figuren auskommt. Mit Assault Girls von 2009 wagte er ein ähnliches Experiment. Bekannt wurde er als Schöpfer von Jin-Roh und der Ghost in the Shell-Filme. Die Stärke in den besinnlichen Momenten, in denen die Charaktere sich demaskiert dem Alltag stellen müssen, ist stets seine unverkennbare Handschrift gewesen.
Kenner seiner Filme wird es freuen, dass auch ein ganz bestimmtes Motiv der Marke Basset Hound seinen Weg in das Werk gefunden hat. Außerdem zeigt die Szene, in der Ash ihre einsame Wohnung betritt und für sich und ihren Hund mit routinierten Handgriffen das Essen zubereitet, unverkennbare Parallelen zur Heimkehr Batous im zweiten Ghost in the Shell. Zudem ist eine grundsätzliche Ähnlichkeit zwischen Ash und dem bekannten Major nicht ganz von der Hand zu weisen – wenn auch die lilafarbenen Haare fehlen.
Bemerkenswert ist, dass des Regisseurs Ausflug in den Realfilm auf polnischem Boden stattfand und mit ausschließlich polnischer Crew und in polnischer Sprache gedreht wurde. Trotz dessen funkelt der japanische Stil immer deutlich unter der osteuropäischen Szenerie hervor. Spätestens der Kampf gegen einen Riesenroboter gibt die asiatischen Wurzeln preis. Leider fällt gerade diese Szene unbeholfen und erschreckend einfallslos aus, was umso unverständlicher wirkt, wenn man sich das großartige Maschinendesign aus Oshiis anderen Werken ins Gedächtnis ruft.

Es ist somit längst nicht alles eitel Sonnenschein in Avalon. Der Spiele-Fachjargon driftet an einigen Stellen ins Lächerliche ab, wenn sich die Figuren etwa über Experience Points austauschen. Auch muten wenige Dialoge wie das Finale eines Phrasenwettbewerbs an. Außerdem dürfte die konsequent überstilisierte Optik, die bisweilen gar die Grenze zur Unerkennbarkeit überschreitet, bei dem ein oder anderen Zuschauer deutliche Ermüdungserscheinungen hervorrufen, denen auch die etwas schwülstige Dramatik nicht viel entgegenzusetzen hat. Insbesondere am Ende ist nichts mehr subtil oder nur angedeutet – von einem ganzen Orchester begleitet findet das finale Duell statt, das an Pathos jede Bühneninszenierung tief in den Schatten stellt.
Gerade in den etwas rasanteren Sequenzen gerät der prinzipiell stilsichere Film an die Grenzen seiner Möglichkeiten, sodass er sein Alter und die fehlenden Finanzen trotz inflationär eingesetzter Verfremdungseffekte und Zeitlupen nicht zur Gänze verbergen kann und mit seinem Lagerhallen-Look gar ein wenig billig wirkt. Auch wurden viele der Nebenfiguren mit leicht überfordert wirkenden Darstellern besetzt, die zu bestechendem Overacting neigen. Doch sollte man einem Film keinen allzu großen Vorwurf daraus machen, dass er mit kleinen Mitteln große Ambitionen verfolgt. Schön hingegen spielt der Gamemaster, welcher Ash immer wieder an den Terminals über einen Bildschirm ins Spiel geleitet und ihr hin und wieder widerwillig auch mit spärlichen Informationen dienlich ist. Seine Auftritte sind kurz, seine Erscheinung aber ist gleichsam autoritär wie väterlich.

All der aufgezählten Makel zum Trotz gelingt es Oshii fast immer, die goldene Mitte zu finden, sodass der Film trotz hohen Lächerlichkeits- und Kitschpotenzials meist glaubwürdig und kohärent bleibt. Insbesondere in Anbetracht des gewählten Themas ist das ein Verdienst, den man kaum hoch genug anrechnen kann.
Die hohen Ansprüche an sich selbst merkt man ihm auch an jeder Ecke an. Bezüge zur Artussage finden sich an allen Ecken, ob es das erwähnte Opernstück ist oder die Interpretation der Herrin vom See ist. Es sind Elemente, die nichts aktiv zur Geschichte beitragen, wohl aber einen gewichtigen Teil zur Stimmung. Ständig werden kleine Fetzen zur Filmmythologie eingestreut, die niemals wieder aufgegriffen werden. Das schafft eine gewisse Glaubwürdigkeit, kann den Zuschauer aber auch unbefriedigt zurücklassen, da die wirklkich interessantesten Ansätze immer bloß am Wegesrand stehen, während die eigentliche Geschichte häufig ins Straucheln gerät.

Fazit:

Avalon ist eine krude Mixtur aus Gamer-Drama, Dystopie und Sagenräuberei mit einigen
lohnenden Bildern und einigen deutlichen Mängeln. Zurecht avancierte er nicht zum Kultfilm, wie es die Manga-Adaptionen Mamoru Oshiis taten, doch ist er trotzdem eine unterhaltsame Fingerübung, die vor allem durch die richtigen Dosierungen besticht.