The Congress

Waltz with Bashir war und ist die wohl ungewöhnlichste Annäherung an den Libanonkrieg. Das dachte sich auch Hollywood und bedachte das halb-autobiographische (halb, weil sich Regisseur und Autor Ari Folman nicht erinnert) Animationskunstwerk mit einem Golden Globe. Anstatt mit diesem Erfolg so richtig durchzustarten, zog sich Folman zurück und tüftelte ein halbes Jahrzehnt an einer filmischen Umsetzung des Klassikers Der futurologische Kongress, welche heuer in den Kinos läuft.

Can i go back to where i came from?

Story

Robin Wright hatte ihre goldene Zeit als Sternchen in früher Jugend, als Filme wie Forrest Gump der Welt ihren Stempel aufdrückten. Seither hat sie – aus Sicht der Branche – eine Reihe falscher Entscheidungen getroffen: Sich nicht liften lassen und bei den zu spielenden Rollen wählerisch zu sein. Mittlerweile ist sie Mutter zweier Kinder, eines davon schwer krank, und lebt mit ihnen in einer zur Wohnung umfunktionierten Halle. Eines Tages kommen ihr Agent und ein Beauftragter der Firma Miramount auf sie zu und schlagen nochmals vor, was sie seither entschieden ablehnte. Sie soll sich digitalisieren lassen. Das Abbild ihres Körpers gehört der Firma für 20 Jahre und kann in jedem beliebigen Film mitspielen, während Robin selbst in dieser Zeit allerdings nicht mehr vor die Kamera darf und keine Kontrolle darüber hat, wo ihr digitalisiertes Ich auftritt. Die Umstände zwingen sie zur Zusage.

20 Jahre später ist die Schauspielerin sichtlich gealtert und gerade auf dem Weg zu einem Kongress. Ein Grenzwärter in der Wüste weist sie darauf hin, dass das Land hinter der Schranke vollanimiert sei. Robin schluckt eine Substanz und besucht als Zeichentrickfigur einen Zeichentrickkongress, wo nicht nur allerhand Skurriles geschieht, sondern bald schon Aufständische die Veranstaltung entern und heilloses Chaos anrichten.

Kritik


Da die Form der Inhaltsangabe das Gegenteil ahnen lässt, sei gleich vorangestellt, dass der animierte Part von The Congress auch der Hauptteil ist, beginnt er doch nach gut 40 Minuten und endet erst kurz vor Schluss.
Einerseits erzählt der Science-Fiction-Film eine sehr tragische und persönliche Geschichte, andererseits stellt er eine Abrechnung mit dem Schönheits- und Jugendwahn der Filmindustrie und deren Art, diesem Wahn Genüge zu tun, dar. Das alles ist eingewickelt in eine Zeichentrickoptik, die an Einfallsreichtum Waltz with Bashir gar mehrmals überrundet und mit besonderem Flair überrascht. Der Stil-Mischling wirkt trotz seiner inhaltlichen und visuellen Vielfalt an vielen Stellen ungalant und steif. Das fängt bei den Charakteren an. Robin Wright, gespielt von Robin Wright, macht da eine Ausnahme. Sie ist toll und facettenreich. Der ewige Zwiespalt, in dem sie sich befindet und aus dem sie nie entkommen kann, ist tief und ihre Gefühlswelt ebenso deutlich an ihrem Gesicht abzulesen wie das fortschreitende Alter. Der Rest des Figureninventars ist leider nicht ansatzweise so sorgfältig angelegt wie sie. Alle wirken seltsam überzeichnet und bringen dies auch in ihrer Sprache durchweg zum Ausdruck. Das mag vom Film intendiert sein, trägt es doch auch zur unwirtlichen, unangenehm absurden Atmosphäre bei. Doch gerade bei der ersten Sichtung drängt sich unweigerlich das Gefühl auf, Ari Folman wollte die Figurenarbeit schnell hinter sich bringen, um möglichst bald und dafür umso lauter die Zeichentrickkorken knallen lassen zu können. Ganz so wild ist es nicht und vor allem passt die blasse Charaktergestaltung zum Comicstil der 30er, doch verwehrt sie auch ein problemloses Abtauchen in die Geschichte und ihre Welt. Dazu kommen die teils sehr platten Analogien, mit denen immer wieder gearbeitet wird.
Der Film ergötzt sich sehr an seinen Bildern und das überwiegend mit Recht, weil es wirklich einiges zu bestaunen gibt und Manches davon fast schon als berauschend bezeichnet werden kann. Doch hinter mindestens ebenso vielen Absurditäten linst der Kitsch hervor, ein ums andere Mal stolpert der Film inmitten seiner hochambitionierten Schritte über die eigenen Füße und an vielen Punkten wirkt er einfach ein Stück zu lang, während er in seiner wuchernden Symbolhaftigkeit so wirkt, als verlöre er die Orientierung. Auch, ob die Geschichte am Ende wirklich ein schlüssiges Ganzes gibt, ist zumindest disputabel.
Andererseits ist es The Congress anzurechnen, den Mut zu besitzen, ausgerechnet in grillenhafter Zeichentrickform und mit platten Figuren zu verurteilen, dass Filme stetig wirklichkeitsfremder werden. Die Geschichte – angedeutet durch die Robin Wright, wie sie heute ist – in einer Art Gegenwart spielen zu lassen, die aber nicht die unsrige ist, um dann darauf 20 Jahre in die Zukunft zu springen, ist gleichsam bemerkenswert.
Was den Film letztlich so erfahrenswert macht, ist sein unbändiger Wille zur Kombination von Dingen, die man bisher nicht miteinander verbunden kannte. Das ist in einer Zeit, in der Geschichten sich immer schneller und stärker wiederholen, eine Tugend, die gar nicht zu stark gelobt werden kann.
Am Ende sitzt man im Kinosessel ist ratlos, in Betreff auf den Inhalt, aber auch emotional. Man fragt sich, ob dies genau das Gefühl ist, das der Film vermitteln wollte, lässt ihne Revue passieren und ist Dennoch nicht schlauer. Damit aber, dass man sich selbst nach Abschluss befragt, gelingt dem Film etwas, woran viele andere scheitern.

Fazit

Ari Folman ist abermals ein Film gelungen, der nicht nur durch seinen einzigartigen Look besticht, sondern diesen auch geschickt dafür zu nutzen weiß, die Inhalte zu unterstreichen. Im Zuge dieser Unterstreichung offenbaren sich aber auch kleinere und größere Schwächen, die zuvorderst bei der gewöhnungsbedürftigen Figurenzeichnung zu finden sind.
Sehenswert ist The Congress allemal, auch wenn er mit Stanisław Lems Roman nur noch Kleinigkeiten gemein  hat. Mit etwas mehr Feinarbeit und einem durchdachteren Erzählrhythmus wäre jedoch noch weit mehr aus dem ambitioniert ehrgeizigen Projekt geworden.

Schon jetzt darf man gespannt sein, was der israelische Ausnahmeregisseur als nächstes in Angriff nehmen wird.