Robotic Angel

Robotic Angel sollte eigentlich Metropolis heißen. Tut er auch. Nur in Deutschland gibt’s den etwas merkwürdigen, für deutsche Titelfantasie aber recht typischen Namen, weil die Lizenzgeber von Fritz Langs bedeutendem Stummfilm Metropolis sich querstellten.
Womöglich lag es aber auch daran, dass die Mangaverfilmung nach dem Drehbuch von Akira-Schöpfer Katsuhiro Otomo (Memories) der Vorlage um jeden Preis gerecht werden will – und deswegen einfach kein gelungener Film ist.

Ich weiß nicht, was gespielt wird, aber eines steht fest.

Story

Metropolis ist in vielen Fällen genau das, was auch Fritz Langs Metropolis ist. An der Oberfläche reihen sich prunkvolle Bauten aneinander, ragen in die Höhe und scharren am Himmel. Roboter nehmen den Menschen nicht nur die lästigen Pflichten des Alltags ab, sondern sind unentbehrlich gewordene Hilfe in allen Lebenslagen. Mensch und Maschine sind eng verzahnt und die Androiden mittlerweile so perfektioniert, dass sie auch für anspruchsvolle Arbeiten ihren Erbauern vorgezogen werden. Sie sind nicht nur zuverlässiger, sondern verlangen auch keine Bezahlung – nur Treibstoff benötigen sie, um ihren Pflichten nachzukommen. Die Menschheit hat sich selbst so abhängig von den Robotern gemacht, dass sie diese Abhängigkeit zu verfluchen beginnt.
Unter der Stadt wird der Preis für das bröckelnde Utopia entrichtet. In gewaltigen Slums lebt die Unterschicht, hauptsächlich Proletariat, das von den Robotern um die eigene Notwendigkeit gebracht wurde und sich nun auf die große Revolution vorbereitet.
Währenddessen ist Dr. Laughton, ein Pionier auf dem Gebiet der Robotik und außerdem mit einem Gotteskomplex geschlagen, dabei, den perfekten Androiden zu erschaffen. Dies geschieht im Auftrag von dem fiesen Duke Red, der plant, die Herrschaft über Metropolis an sich zu reißen. Ausgerechnet der Adopotivsohn des Dukes vereitelt dessen Pläne, indem er blind vor Eifersucht das Labor des Wissenschaftlers zerschlägt – und dem Ziel des Anschlages dabei unwillentlich die Freiheit schenkt.
Ohne Erinnerung irrt das Robotermädchen mit dem Namen Tima nun durch die verwirrende Welt und schließt sich dem jungen Kenichi an.

Kritik

Verwirrende Welt, verwirrender Film. Der als Vorlage dienende Manga erschien 1949 und bot gewaltig viel Inhalt. Die Verfilmung erschien 2001 und ist bestrebt, möglichst alle wichtigen Bestandteile des Mangas aufzugreifen. So ehrenhaft dieses Vorhaben auch ist, führt es doch dazu, dass Robotic Angel auf hohem Niveau scheitert. Denn mit seinen vielen Handlungssträngen und den zahlreichen Haupt- und Nebenfiguren wirkt der Film schon nach wenigen Minuten völlig überladen.
In den 107 Minuten springt man deswegen ständig von Figur zu Figur, sodass es unmöglich ist, eine richtige Beziehung zu den Charakteren aufzubauen. Kenichi, der eigentliche Protagonist, ist die meiste Zeit kaum zugegen, wodurch es einfach an einem erzählerischen Zentrum mangelt. Manche Figuren sind sogar so selten zu sehen, dass es fast schon lächerlich anmutet, dass sie anfangs überhaupt als handlungsrelevant vorgestellt worden sind. Meist haben sie nur ein paar Sekunden Zeit, ihre notwendigen Sätze aufzusagen, bevor der Fokus ruckhaft zum nächsten Ort flitzt. Der Antrieb der einzelnen Personen ist nur ein Ausnahmefällen erahnbar. Dabei ist der Plot, auf den Osamu Tezuka damals angeblich kam, als er das Filmplakat von Langs Metropolis betrachtete, nicht nur denkbar einfach, sondern auch schon mehrfach erzählt worden. Einzig die vielen Ortswechsel und das Fehlen brauchbarer Identifikationsfiguren verkomplizieren das Geschehen derart, dass das Verfolgen der Handlung fast schon in Arbeit ausartet. Und es gibt wenig größere Fehler als den, eine grundsätzlich simple Geschichte wirr und undurchschaubar zu erzählen.
Als wäre dies nicht genug, belastet sich der Film, um der Vorlage auf wirklich jeder Ebene treu zu bleiben, mit allerhand Symbolik und Zusatzambitionen, die allesamt aber zu plump und inflationär eingebaut wurden, um wirklich zu faszinieren. Da werden mit dem kurz vor der Vollendung stehenden Gebäude namens Ziggurat überdeutliche Parallelen zum Turmbau zu Babel geboten, es wird die spätestens seit Ghost in the Shell und Blade Runner überpräsente Frage nach der Möglichkeit von Identität und Seele eines Androiden gestellt und aus jeder Ecke ruft religiöse Symbolik. Das alles mag in den 40ern brisanter Stoff gewesen sein, wurde seitdem aber in zu vielen Varianten zu oft wiederholt, um für sich immer noch fesseln zu können, ohne diesen Themenbereichen neue Aspekte hinzuzufügen. Unter dem ganzen Ballast bricht der Film ächzend zusammen, wird die Handlung zur totalen Nebensache und verkommt das Figurenheer zur Bedeutungslosigkeit.

Was bleibt, ist die überragende Technik. Und in diesem Fach lässt sich Robotic Angel wahrlich nicht lumpen. Sowohl die Oberfläche als auch der Untergrund sehen vorzüglich aus. Hier tummeln sich die aberwitzigsten Ideen, das Design ist verblüffend und stilsicher, die Hintergründe stark belebt, die Bewegungen flüssig und jedes Bild platzt fast vor Details.
In dieser Beziehung spielt Robotic Angel definitiv in der obersten Anime-Liga mit. Einen Abzug in der B-Note muss sich das Werk allerdings gefallen lassen, weil einige eindeutig aus dem Computer stammende Animationen das homogen wirkende Gesamtbild harsch durchbrechen und die Ästhetik auf diese Weise empfindlich stören. Durch das eher abstrakte, altmodische Charakterdesign, das an unter anderem an Astroboy, Kaiba und ein paar Disney-Klassiker aus den 30ern erinnert, entsteht ein interessanter Kontrast zum organischen, vollanimierten Hintergrund. So wird auch auf visueller Ebene verdeutlicht, wie sehr der Mensch auf der Strecke geblieben ist, in einer von Technik dominierten Welt, die selbst natürlicher und menschlicher wirkt als ihre Erbauer, welche sämtliche Aufgaben und Funktionen an Roboter übergeben haben und so ihr Menschsein nach und nach vergaßen.
Unterlegt wird das Ganze häufig von sehnsuchtsvollen Jazzklängen, die in den besten Momenten an Cowboy Bebop erinnern. Auch sonst hat die auditive Seite des Filmes einige Ungewöhnlichkeiten auf Lager und stellt somit auch das Speziellste am ganzen Werk dar. Die unorthodoxe, auf den ersten Blick nicht immer ganz stimmige musikalische Begleitung stößt vielen bitter auf, verleiht der Szenerie aber eine besondere Atmosphäre und verstärkt die verhaltene Noir-Stimmung einiger Handlungsbausteine in großem Maße.

Fazit

Audiovisuell überwältigend, versagt das Fünfzehn Millionen Dollar teure Projekt von Regisseur Rintaro (Astroboy, X – The Movie) inhaltlich in aller Deutlichkeit. Obwohl der Film ähnlich arrogant und verschwenderisch wirkt wie die dekadenten Oberflächenbewohner von Metropolis, lohnt sich ein Blick wegen der traumhaften technischen Darbietung, von der man sich trotz allem gerne blenden lässt.

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