Japan-Filmfest Special: Minus by Minus

Japan-Filmfest Special 1

Film 1 des Japan Film-Festes in Hamburg ist ein Erstlingswerk eines vormaligen Produzenten, der hier nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch beigesteuert hat. Minus by Minus, oder -X-, wie der Film im Original ein wenig eleganter heißt, ist typisches japanisches Erzählkino der sehr gediegenen Sorte.

Story

Ein Taifahrer bringt eine Frau in ihre Wohnung, bleibt dort eine Weile, beginnt eine seichte Unterhaltung, spielt mit ihr ein Brettspiel und versinkt in unerwartet rüden Fantasien. Auf seinem Rückweg laufen ihm zwei Mädchen im Teenager-Alter über den Weg. Sie sind beste Freunde, doch scheint die Zukunft sie auseinanderzutreiben. Während eine den genauen Werdegang ihres Lebens als kläre Linie vor sich sieht, taumelt die andere immer noch in pubertärer Orientierungslosigkeit durchs verwirrende Japan der Gegenwart, leidet unter der Trennung ihrer Eltern und muss dabei zusehen, wie die enge Bindung zu ihrer Freundin zu kippen droht.

Kritik

Minus by Minus beginnt unterschwellig wahnsinnig und tisch skurrile Gespräche auf, die sich in ihrer Behäbigkeit Zeit zum Entfalten lassen. Alles ist gesetzt, ruhig und langsam, doch wirken die Charaktere anfangs eindeutig entrückt. Eine sonderbare Faszination enströmt dieser Stilkombination, wenn man sich auf das Tempo einlassen kann. Der kurze Ausflug in die Fantasie des Taxifahrers droht das Konzept dann mit abgründig schwarzem Humor zum Kippen zu bringen und scheint eine uneinsehbare Kurve nehmen zu wollen, doch endet dies nach wenigen Minuten – und lässt nichts zurück als einen verwirrenden Nachgeschmack.
Die Geschichte der Freundinnen und ihrer Probleme nimmt sogar noch mehr Tempo aus dem eh schon behäbigen Treiben. Sie treiben durch die Tage und erleben die Jugend in authentischer Schwermut. Nichts geschieht und doch scheint alles im Wandel begriffen zu sein. Die Phase im Leben, in der alles bleischwere Ankündigung zu sein scheint, ohne dass sich diese je konkret bewahrheitet. Manchmal schrammt das Geschehen schon fast am Surrealen vorbei, bevor die Schaukel wieder nach hinten schwingt und wirkliche Ausprägungen in diese Richtung vermieden werden. Immer wieder präsentiert der Film winzig kleine, aber wunderbare Ideen, verpackt in anfangs unscheinbare, doch im Kern sehr sonderbare Einfälle.
Technisch wird diese Schiene ebenfalls befahren. Mit wenig mehr als einer Handkamera und unbekannten Gesichtern errichtet Minus by Minus immer wieder verzaubernd kleine Ästhetik-Bauten, die nur für Momente existieren, doch ausgiebig nachwirken.
Ständig wirkt der Film so, als wüsste er eigentlich nicht so recht, wo er hin will, fühlt sich dabei aber gleichermaßen so an, als hätte er ein fixes Ziel vor Augen, das aus vielen kleinen besteht. Auch hier findet sich die mürbe Mentalität der unablässig fordernden Großstädte wieder, denen sich ihre Bewohner Tag für Tag stellen müssen, um in ihnen zu bestehen und ihre eigene Identität zu beweisen. Auf gescheite Weise und ohne erhobenen Zeigefinger werden mit unausgesprochenen Fragen die Problemen der heutigen Gesellschaft in Japan zu Brust genommen, während immer mal wieder tragisch-komische Elemente das trübe Bild auflockern. Etwas, das durchaus etwas häufiger passieren könnte, denn über die Laufzeit von 2 Stunden treibt die ziellos streunende Geschichte immer mal wieder gen Langeweile, die nicht zuletzt dadurch provoziert wird, dass die erste, sehr knappe Geschichte viel kurzweiliger ist als die ausgedehnte zweite. Das alles mag gewollt sein, macht die Erfahrung des Filmes aber zu keiner leichten Kost, sondern verlangt Geduld und langen Atem vom Zuschauer.

Fazit

Zwischen Orangen werfenden Herren, Sinnsuche und mahlender Alltäglichkeit navigiert der Film sich zu einem Ende, das so unvermittelt und absichtlich aussagelos daherkommt wie sein Beginn. Ein Portrait des modernen Japan als Mischung aus Road-Movie und Groteske, die einen eigenartigen Drive entwickelt, sich mit zunehmender Laufzeit aber zu schleppend voran bewegt.

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